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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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ein Mann ohne Unterleib zu sein, ist das nicht so einfach, aber ich schaffte es schließlich. »Ich kann Sie nach Hause fahren, wenn Sie wollen«, sagte er.
    »Kommt nicht infrage«, erwiderte ich. Jeder im Ort kennt den roten Sportwagen des Doktors. Der braucht bloß in eine Straße einzubiegen, damit sich alle Anwohner ihre Gedanken machen. Nicht immer die richtigen, allerdings, denn wenn es auf Vertraulichkeit ankommt, geht Dr. O'Shea
    selbstverständlich zu Fuß.
    »Sie haben gerade eine Operation gehabt. Zumindest sollten Sie sich noch etwas ausruhen.«
    »Ich werde«, sagte ich, »mein Hemd und meine Jacke
    anziehen, meine Umhängetasche nehmen, Ihnen dankbar die
    Hand schütteln und nach Hause gehen, als sei nichts gewesen.«
    Er verzog das Gesicht zu einem halb bewundernden, halb
    sorgenvollen Grinsen. »Ach, richtig. Sie sind ja Supermann.
    »Genau. Ich werde sogar noch ein paar Wochenendeinkäufe
    machen.«
    »Nichts anderes habe ich erwartet.«
    Das Implantat war kleiner, als ich es mir vorgestellt hatte, und von einer brüchigen weißen, plastikartigen Schicht
    umhüllt. Dr. O'Shea spülte es kurz ab und ließ es dann in ein 37
    kleines Schraubglas fallen, das er mir reichte. »Bitteschön. Es ist ja bestimmt eine Million Dollar wert.«
    »Mindestens«, grinste ich.
    »Und außerdem Eigentum der Regierung der Vereinigten
    Staaten von Amerika.«
    »Wie mein halber Körper.« Das meiste von diesem
    Eigentum der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika würde ich nie wieder loswerden, das war klar. Trotzdem
    erfüllte mich der Anblick des kleinen, seltsam sinnlos
    scheinenden Geräts mit einer lange nicht mehr gefühlten Art von Befriedigung. Zumindest ein Schritt in die richtige
    Richtung war geglückt. Ich steckte das Glas in die Hosentasche und zog mein Hemd von der Stuhllehne. Der Verband ziepte ein wenig, als ich mich verrenken musste, um den Arm durch den ersten Ärmel zu stecken.
    »Übrigens hat gestern jemand nach Ihnen gefragt«, erzählte Dr. O'Shea beiläufig, während er sich die Hände wusch.
    Ich hielt in der Bewegung inne. Es durchrieselte mich kalt.
    »Nach mir gefragt?«
    Dr. O'Shea griff nach dem Handtuch. »Ein Asiate. Sprach
    Englisch, allerdings mit einem merkwürdigen Akzent. Ein
    merkwürdiger Mensch auch. Aufdringlich. Unsympathisch. Er hatte ein Foto von ihnen dabei und wollte wissen, ob ich Sie kenne.«
    »Und?«
    »Natürlich habe ich gesagt, dass ich Sie noch nie im Leben gesehen habe.« Er hängte das Handtuch sorgfältig zurück. »Es war übrigens ein ziemlich altes Bild, auf dem man Sie nur mit viel Fantasie erkennt.«
    Alles andere wäre auch mehr als alarmierend gewesen, denn das letzte Foto für nichtmedizinische Zwecke ist '85 von mir 38
    gemacht worden, für den Ausweis, der mir Zugang zum
    allergeheimsten Bereich des ohnehin geheimen Stützpunkts gewähren sollte. »Hat er gesagt, wer er ist? Und warum er ausgerechnet zu Ihnen kommt?«
    »Oh, ich hatte den Eindruck, er klappert die ganze Stadt ab, Haus für Haus.«
    »Um mich zu finden?« Meine Finger hatten es plötzlich
    eilig, das Hemd zuzuknöpfen. »Das gefällt mir nicht.«
    »Ich würde mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen. So wie er sich benimmt, kann ich mir nicht vorstellen, dass ihm irgendjemand irgendetwas sagen wird.«
    Auch wenn Dr. O'Shea mit Geheimhaltung gut umgehen
    konnte – die ärztliche Schweigepflicht, fällt mir ein, ist ja auch etwas in dieser Richtung –, begriff er trotzdem ganz sicher nicht in vollem Umfang, wozu sie in meinem Fall notwendig war. Es war keine Situation vorstellbar, in der das Auftauchen eines Unbekannten, der nach mir suchte, eine gute Nachricht gewesen wäre, oder auch nur eine harmlose.
    39
    Damit du deinen Hunger und Durst zu stillen vermagst, erübrigt sich's, die Meere zu befahren und auf Eroberungen auszuziehen. Was die Natur verlangt, ist leicht beschafft und schnell bereitet, das Überflüssige aber kostet deinen Schweiß.
    Seneca, DE VITA BEATA

3
    Ich verließ die Praxis höchst beunruhigt. Während ich die Goat Street hinunterstapfte, sah ich mich mehr und argwöhnischer um als gewöhnlich, und ich bildete mir ein, auch den
    dumpfschweren Druck der Nuklearbatterie in meinem
    Unterbauch stärker zu spüren als sonst. Der Himmel war
    bedrückend und regenschwer, ein Fließbild aus dunklen
    Grautönen, aber das ist er fast immer. An der irischen Küste treffen die Winde, die sich auf ihrem langen Weg über den Atlantik mit Feuchtigkeit voll gesogen haben,

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