Microsoft Word - Green, Simon R.-Todtsteltzers Ende
nicht durch Blickkontakt überspringen konnte.
Die Besessenenheere und hinter ihnen die Überesper reagierten zunächst verwirrt, als ihre Haupttaktik
auf einmal nicht mehr funktionierte, und sie erlitten
hohe Verluste, ehe die Überesper sich wieder fassen
und ihre Sklaven abermals in die offene Schlacht
hetzen konnten. Die Besessenen stürmten mit
Schwertern und Messern und oft nur mit ihren zupackenden, krallenden Händen vor. Ihr Vorgehen
war nur auf Angriff und keinerlei Abwehr gerichtet,
weil immer reichlich Ersatz für die Gefallenen bereitstand. Manchmal reichte die schiere Masse, um sogar
die am besten vorbereiteten Verteidiger zu überwinden und zu überrennen. Den Überespern war klar,
dass sie in Parade der Endlosen keine neuen Menschen übernehmen konnten, solange die Verteidiger
nicht besiegt und Diana und ihre Schlampen nicht
zur Strecke gebracht waren. Oder bis die Überesper
den Mut aufbrachten, ihre Schlupfwinkel zu verlassen und persönlich anzugreifen.
Vielleicht taten sie es ja. Sie alle hielten sich in der
Stadt auf oder, genauer gesagt, unter ihr. Und sie
wünschten sich so sehr, diese berühmte Stadt zu unterwerfen und in Besitz zu nehmen!
Fürchterliche Kämpfe wogten auf den Straßen hin
und her. Blut und Eingeweide spritzten an die Hauswände und liefen dick durch die Rinnsteine, während
sich die Leichen beiderseits häuften. Ein Dutzend
Besessene fielen für jeden Verteidiger, aber das
Kräfteverhältnis stand tausend zu eins. Immer neue
Gedankensklaven strömten in die Stadt, und noch
weitere waren unterwegs. Sie verfügten über keine
richtige Taktik, nur über Bewegung in der Masse und
die Stimmen in ihren Köpfen, die Tötet! Tötet! schrien, aber ihre Anzahl schien unerschöpflich. Anders als die Verteidiger wurden sie niemals müde
oder bekamen Angst. Die Rebellen aus dem Slum
waren über die ganze Stadt verstreut und inspirierten
andere durch das Vorbild ihres wütenden Kampfes,
aber sie konnten nicht überall sein.
Zwei Armeen waren ineinander verbissen. Menschen fielen und standen nicht mehr auf, und der
Brennpunkt der Schlacht verlagerte sich langsam,
aber unerbittlich ins Zentrum der Stadt, zum Imperialen Palast.
Und während all dies geschah, war Douglas Feldglöck
anderswo. Er und Tel Markham pirschten durch verlassene Nebenstraßen, wichen den Kämpfen aus und
hielten Kurs auf den Imperialen Palast, um den Imperator Finn zu treffen und womöglich mit ihm zusammen den Überespern eine Falle zu stellen. Eine Falle,
bestückt mit den einzigen Ködern, die sie vielleicht
persönlich in den Palast lockten: einem König und einem Imperator. Douglas und Finn stimmten darin
überein, dass sie nur dann eine Chance hatten, über die
Besessenen zu siegen, wenn sie die Überesper aus ihren Verstecken lockten und sich ihnen persönlich entgegenstellten. Erst wenn diese fünf Monster tot waren,
war die Gefahr wirklich gebannt.
Das Treffen hatte eigentlich nur zwischen Douglas
und Finn stattfinden sollen, aber Tel Markham bestand darauf, Douglas zum Palast zu begleiten und
dem König den Rücken freizuhalten. Tel hatte besser
als jeder andere lebende Mensch erfahren, wie verräterisch der Imperator sein konnte. Douglas erhob
keine Einwände. Finn hatte zwar deutlich darauf bestanden, dass Douglas allein kommen sollte, aber
Douglas war nicht bereit, Befehle von Finn Durandal
entgegenzunehmen.
Natürlich bestand auch das Risiko, dass Tel aus irgendwelchen verschlungenen Motiven heraus Douglas an Finn zu verraten plante, aber damit rechnete
Douglas nicht. Die Hölle kann nicht grimmiger sein
als ein verschmähter Intrigant.
Gemeinsam gingen die beiden Männer durch einen
verlassenen Palast. Alle Wachleute und die meisten
Diener waren draußen in der Stadt und kämpften,
und der Rest versteckte sich. Die Lebenden hatten
die dunklen und blutigen Flure den Toten überlassen.
Letztere fand man inzwischen überall, noch mehr
von ihnen als bei Douglas' letztem Besuch. Verwesende Leichen hingen in Schlingen oder Stahlgarrotten. Abgetrennte Köpfe steckten auf ganzen Reihen
von Holzpflöcken. An manchen Stellen waren die
alten Teppiche so dick und dunkel mit Blut verklebt,
dass die Muster darunter verschwanden. Die Luft
war dick, heiß und still und stank widerlich. Douglas
schritt jetzt flott dahin und gestattete sich keine Ablenkung durch die Umgebung, während Tel finster
dreinblickte und düster vor sich hinmurmelte. Sie
brauchten lange, bis
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