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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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genau jenem Wasserreservebecken, an dem auch meine Familie vor Jahren auf dem Weg in den Memorial Park entlang gefahren war. Schließlich brach Ms. Gold das Eis und erklärte mit sanfter Stimme, dass heute der Richter entscheiden werde, ob ich unter >Amtsvormundschaft< gestellt würde oder ob meine Mutter das Sorgerecht behielte und ich zu ihr zurückkehren müsse. Was
    >Amtsvormundschaft< bedeutete, verstand ich nicht, aber ich wusste, was es hieß, wenn ich zu Mutter zurückkehren müsste. Dieser zweite Teil von Ms. Golds Satz ließ mich erschauern. Ich schaute zu ihr auf und fragte mich, ob ich nach der Verhandlung wohl mit Ms.
    Gold zurückfahren oder hinten in Mutters Kombiwagen sitzen würde. Ich fragte Ms. Gold, ob die Möglichkeit bestehe, dass Mutter mich heute wieder zu sich mitnehmen könnte. Ms. Gold streichelte meine Hand und nickte zustimmend. Mein Kopf sank nach vorn. Ich hatte keine Energie mehr, noch weiter Widerstand zu leisten. Seit unserem letzten Treffen hatte ich nicht mehr schlafen können.
    Je näher wir dem Amtsgericht kamen, desto stärker wurde mein Gefühl, dass ich der Sicherheit von Ms.
    Gold entglitt und wieder in Mutters Fänge geriet.
    Meine Hände ballten sich zur Faust. Der Countdown hatte begonnen.
    Ich spürte, wie meine linke Hand sanft gestreichelt wurde. Sofort hob ich die Arme, um mein Gesicht zu schützen. Ich brauchte eine Weile, bis ich merkte, dass 61

    es nur ein Tagtraum war. Ich atmete tief ein, nickte mir selbst zu und versuchte, mich zu beruhigen. »David«, begann Ms. Gold, »hör mir mal gut zu. Jetzt spricht Pam mit dir, nicht Ms. Gold, deine amtliche Betreuerin.
    Verstehst du mich?«
    Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. Wir waren nur noch wenige Kilometer vom Amtsgericht entfernt. »Ja, ich verstehe. «
    »David, was dir deine Mutter angetan hat, war nicht richtig. Es war sogar sehr schlimm. Kein Kind hat eine solche Behandlung verdient. Sie ist krank. « Pams Stimme war leise, sanft und ruhig. Ihr schienen die Tränen zu kommen. »Erinnerst du dich noch an Montag Nachmittag, als ich dir gesagt habe, dass du eines Tages eine Entscheidung treffen müsstest? Nun, heute ist es so weit. Die Entscheidung, die du heute triffst, wird für den ganzen Rest deines Lebens von Bedeutung sein. Nur du allein kannst über dein Schicksal entscheiden. Ich habe alles getan, was ich tun konnte. Jeder hat getan, was er konnte - deine Lehrer, die Schulkrankenschwester, Tante Mary, alle.
    Jetzt bist du an der Reihe.
    David, ich sehe so viel in dir. Du bist sehr tapfer. Ihre Geheimnisse erzählen - das können nicht viele Kinder.
    Eines Tages wird all das hinter dir liegen. « Ms. Gold hielt einen Augenblick inne. »David, du bist sehr tapfer.«

    »Ich fühle mich aber gar nicht so tapfer, Ms. Gold. Ich fühle mich ... wie ... wie ein Verräter.«
    »David«, sagte Pam lächelnd, »du bist kein Verräter!
    Vergiss das nicht!«
    »Wenn sie krank ist«, fragte ich, »was ist denn dann mit meinen anderen Brüdern? Werden Sie denen auch 62

    helfen? Was ist, wenn sie sich einen von denen vornimmt?«
    »Nun, im Augenblick kann ich mich nur um dich kümmern. Ich weiß nichts darüber, ob deine Mutter deine Brüder auch misshandelt hat oder noch misshandelt.
    Aber irgendwo müssen wir ja beginnen. Ein Schritt nach dem anderen. In Ordnung? Und, David ... « Ms. Gold schaltete den Motor aus. Wir waren am Amtsgericht angekommen.
    »Ja?«
    »Du sollst wissen, dass ich dich lieb habe.«
    Ich sah Ms. Gold tief in die Augen. Sie waren so rein.
    »Wirklich, ich habe dich lieb«, sagte sie und streichelte meine Wangen.
    Ich weinte, als ich mit dem Kopf nickte. Ms. Gold hob mein Kinn mit ihren Fingern an. Ich presste mein Kopf gegen ihre Hand. Ich weinte, weil ich wusste, dass ich Pams Liebe in wenigen Minuten enttäuschen würde.
    Ein paar Minuten später betraten wir das Wartezimmer des Amtsgerichts und Ms. Gold hielt meine Hand. Auf einer der Bänke warteten schon Mutter und meine Brüder. Ms. Gold nickte Mutter zu, als wir beide an ihr vorbeigingen. Ich warf ihr einen verstohlenen Blick zu. Mutter trug ein schönes Kleid und hatte ihr Haar nett zurechtgemacht.
    Ron hatte ein Gipsbein.
    Niemand nahm meine Gegenwart zur Kenntnis, aber ich spürte Mutters Hass. Ms. Gold und ich setzten uns hin und warteten darauf, dass wir drankamen. Das Warten war unerträglich. Ich vergrub meinen Kopf unter meinem rechten Arm und murmelte Ms. Gold etwas zu.
    Ich bat um einen Bleistift und ein Stück Papier. Dann

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