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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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ich sein Nicken erwiderte. »So«, sagte er, jetzt freundlicher, »und nun erzähl mir mal was über deine Mutter.«
    Mit offenem Mund versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Ich fühlte mich total frustriert. Vielleicht war ich ja nicht besonders helle, aber ich hatte das Gefühl, es nicht verdient zu haben, wie ein Idiot behandelt zu werden. Der Arzt beobachtete jeden Gesichtsausdruck genau und machte sich immer mehr Notizen. »Nun«, 118

    begann ich, nach Worten suchend, »meine Mutter ... ich glaube wirklich nicht ... sie war ... «

    Er schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab.
    »Nein! Für die Analysen hier bin ich zuständig, und du für die Beantwortung der Fragen. Und jetzt erzähl mir, warum hat deine Mutter gerade dich misshandelt?«
    Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. Meine Augen suchten die Wand hinter dem Schreibtisch ab. Ich versuchte mir vorzustellen, was hinter den Jalousien zu sehen war. Ich konnte Autos am Gebäude vorbeifahren hören und stellte mir Rudy vor, wie er in seinem großen Auto saß und im Radio Oldies hörte ...
    »Junger Mann? Daniel! Hörst du mir heute überhaupt zu?«, fragte der Arzt im Kommandoton.
    Ich kauerte mich noch tiefer in den Sessel, weil ich mich schämte, in Gegenwart eines Arztes beim Tagträumen erwischt worden zu sein. Ich schämte mich, weil ich mich wie ein kleines Kind benahm.
    »Ich habe dich etwas gefragt: Warum hat deine Mutter gerade dich misshandelt?«
    Ohne weiter nachzudenken, schoss ich zurück.
    »Woher soll ich das wissen? Sie sind doch der Arzt!
    Das müssen Sie rausfinden. Ich verstehe Sie nicht ...
    Ihre Fragen ... und jedesmal, wenn ich versuche, sie zu beantworten, dann schneiden Sie mir das Wort ab.
    Warum sollte ich Ihnen denn was über mich erzählen, wenn Sie nicht mal meinen Namen wissen?«
    Ich hielt gerade inne, um Atem zu holen, als ich einen Summton hörte. Der Arzt drückte auf einen Knopf, nahm den Telefonhörer ab, nickte und legte den Hörer wieder in die Halterung. Er wedelte mit seiner Hand vor mir herum, als er sich eine weitere Notiz machte, bevor er sagte: »Würdest du diesen Gedanken bitte für mich 119

    im Kopf behalten? Leider haben wir diese Woche nicht mehr Zeit, und ich ... schau'n wir mal ... ich trag' dich für nächste Woche wieder ein. Wie wär's damit? Ich glaube, da haben wir nächstes Mal einen richtig guten Ausgangspunkt, Daniel. Okay? Also dann bis nächste Woche. Auf Wiedersehen«, sagte er, wobei er seinen Kopf über den Schreibtisch beugte.
    Ich starrte ihn total ungläubig an. Meine Gedanken waren so durcheinander, dass ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte. »Läuft das bei einem Psychiater immer so ab?«, fragte ich mich. Irgendetwas stimmte da doch nicht, und dieses Etwas war wahrscheinlich ich. Ich saß ein paar Augenblicke bewegungslos da, rutschte dann aus meinem Sessel und ging zur Tür. Als ich die Tür öffnete, murmelte der Arzt noch etwas. Er wünschte mir einen guten Tag. Ich drehte mich um und lächelte.
    »Danke, Sir«, sagte ich mit fröhlicher Stimme.
    »Na, wie ging's?«, fragte Mrs. Catanze.
    »Ich weiß nicht. Ich glaube, ich habe mich ziemlich dumm angestellt. Ich glaube, er denkt, dass ich doof bin«, sagte ich, als Lilian mich zum Auto zurück begleitete. »Er will mich nächste Woche wieder sehen.«
    »Na, dann musst du doch einen guten Eindruck gemacht haben. Entspann dich, David; du machst dir zu viel Sorgen. Auf geht's! Wir fahren jetzt nach Hause. «
    Ich rutschte auf den Rücksitz von Rudys Auto. Als die Straßenschilder vorüberhuschten, verlor ich die Orientierung. Irgendwie fühlte ich mich noch verwirrter als zuvor. Gern hätte ich Lilian gesagt, wie ich mich fühlte, aber ich wusste, dass doch alles nur verkehrt herauskommen und ich mich vor Rudy und Lilian blamieren würde.

    120

    Lilian durchbrach meine Konzentration. »Na, wie fühlst du dich denn jetzt?«
    Ich verschränkte die Arme fest vor der Brust. »Durcheinander«, sagte ich mit fester Stimme.

    »Nun ja«, sagte sie, auf der Suche nach den richtigen Worten, damit ich mich besser fühlte, »solche Dinge brauchen eben Zeit. «
    Meine nächste Sitzung verlief genauso bizarr.
    »Lass uns die heutige Sitzung damit beginnen, dass du mir erzählst ... Daniel, wie du dich gefühlt hast, als deine Mutter dich misshandelt hat. Ich habe gelesen, dass sie dich irgendwann ... «,Der Arzt blätterte in einer offenen Akte herum, und mir war klar, dass das meine Akte war. Er begann, etwas zu sich selbst zu murmeln,

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