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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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musst zur Räson kommen! «
    Als wir im Haus der Catanzes angekommen waren, nahm ich schnell ein Bad und schlief dann ein, während Rudy und Lilian darüber sprachen, wie sie mit mir besser fertig werden könnten.

    151

    Am folgenden Tag hatte Ms. Gold einen ihrer seltenen Auftritte. Sie schien nicht mehr so schwungvoll zu sein wie früher, und mir fiel auf, dass sie vergaß, mich zur Begrüßung zu umarmen. »David, wo liegt denn eigentlich das Problem?«, fragte sie mit fester Stimme.
    Ich spielte mit meinen Händen, während ich versuchte, Ms. Gold nicht anzusehen. Dann sagte ich: »Wie kommt es eigentlich, dass Sie mich nie mehr besuchen?«
    »David, du weißt doch, dass es noch viele andere Kinder gibt, die meine Hilfe genauso brauchen wie du.
    Das verstehst du doch, oder?«

    »Ja, Madam«, sagte ich. Ich hatte Schuldgefühle, weil ich Ms. Golds Zeit stahl, die sie eigentlich für andere Kinder benötigte. Aber mir fehlten ihre Besuche wirklich sehr. Ich hätte sie gern weiter so oft gesehen wie vor der Gerichtsverhandlung.
    »David, Mrs. Catanze hat mir erzählt, dass du dich sehr schwer damit tust, dich hier einzuleben. Gefällt dir dieses Haus vielleicht nicht? Was geht in dir vor? Wo ist der pfiffige Junge geblieben, den ich noch vor wenigen Wochen so gut gekannt habe?«
    Ich starrte auf meine Hände. Mir war alles so peinlich, dass ich nicht antworten konnte.
    Nach einer Minute des Schweigens sagte sie: »Nun mach dir mal keine Sorgen: Ich weiß schon alles über den Psychiater. Das war nicht deine Schuld. Wir werden dir einen suchen, der besser mit Kindern umgehen kann ... «
    »Ich bin kein Kind. Ich bin zwölf Jahre alt und ich habe keine Lust mehr, immer das bepickte Huhn zu sein«, sagte ich kalt. Ich musste mich wieder 152

    einkriegen, ehe ich eine weitere Seite meiner Persönlichkeit preisgab, die es bis vor kurzem überhaupt nicht gegeben hatte.
    »David, warum bist du nur so außer dir?«
    »Weiß ich nicht, Ms. G. Manchmal muss ich einfach ... «
    Ms. Gold rückte von der anderen Seite der Couch näher an mich heran. Sie hob mein Kinn mit ihren Fingern an. Ich schniefte und wischte mir die Nase ab.
    »Bekommst du auch genug Schlaf? Du siehst gar nicht gut aus. Gefällt's dir hier nicht?«
    »Doch, Madam«, sagte ich nickend. »Mir gefällt's hier wirklich. Mrs. Catanze ist sehr nett zu mir. Ich habe nur manchmal ... äh ... furchtbare Angst. Ich will's ihr dann

    sagen, aber ich kann's nicht. Es gibt einfach so viel, was ich nicht verstehe, und ich will wissen, warum.«
    »David, was ich jetzt sage, wird dir sicher gar nicht gefallen - aber was du im Augenblick fühlst und durch-machst, ist völlig normal. Wenn du nicht ein bisschen durcheinander und besorgt wärest, dann würde ich mir Sorgen um dich machen. Nein, das ist schon ganz in Ordnung so.
    Aber - es gibt trotzdem etwas, worüber ich mir wirklich Sorgen mache: dein gegenwärtiges Betragen. Ich weiß, dass du ein viel besserer Junge bist, als dein Verhalten in letzter Zeit verrät. Hab' ich Recht? Auch Mr. Catanze ist momentan alles andere als glücklich mit dir, nicht?«
    »Ich bin also in Ordnung?«
    Ms. Gold lächelte. »Natürlich - jedenfalls weitgehend, würde ich sagen. An ein paar Dingen müssen wir noch ein wenig arbeiten. Aber wenn ich dich nur dazu bewegen könnte, dein Verhalten zu ändern, dann wäre 153

    alles in Ordnung. Also, hast du noch irgendwelche Fragen an mich?«
    »Ja, Madam ... Haben Sie etwas von meinem Vater gehört? «
    Ms. Gold hob die Augenbrauen. »Hat er dich hier denn noch nie besucht? Er hätte doch schon vor Wochen kommen sollen«, sagte sie, in ihrem Notizbuch blätternd.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich hab' ihm schon ein paar Mal geschrieben, aber ich glaube, ich hab' nicht die richtige Adresse«, sagte ich. »Ich bekomme jedenfalls keine Antwort und ich hab' auch seine Telefonnummer nicht. Wissen Sie vielleicht, ob mit meinem Vater alles in Ordnung ist?«
    Sie schluckte heftig. »Also ... ich ... ich weiß, dass dein Vater in eine andere Wohnung umgezogen ist ...
    und dass er an eine andere Feuerwache versetzt worden ist. «
    Tränen rannen mir die Wangen hinab. »Kann ich ihn anrufen? Ich möchte nur mal seine Stimme hören. «
    »Liebling, ich hab' seine Nummer nicht. Aber ich verspreche dir, ich versuche, so bald ich kann, deinen Vater anzurufen. Noch heute werd' ich's versuchen. Ist das der Grund, warum du vor ein paar Wochen am Haus deiner Mutter vorbeigefahren bist und warum du versucht hast,

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