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Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jojox
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Wüste Beschimpfungen begleiteten mich.
    Innerhalb von Minuten schien die ganze Schule zu wissen, dass ich John und seine Bande verraten hatte.
    Ich spürte eine soziale Kälte, die noch schlimmer war als damals in der Thomas-Edison-Grundschule.
    Am folgenden Morgen versuchte ich Lilian wortreich davon zu überzeugen, dass ich zu krank sei, um zur Schule zu gehen. Ich erzählte ihr allerdings nichts von John und meinen sozialen Problemen in der Schule.
    Denn ich hatte Angst, Rudy und Ms. Gold könnten, wenn ich es täte, wieder wütend auf mich sein.
    Nachdem mir die Jungen ein paar Wochen lang die kalte Schulter gezeigt hatten, entschuldigte ich mich bei John und seiner Bande. Als Zeichen meiner Freundschaft schenkte ich John eine Packung Marlboro-Zigaretten, die ich am Vortag gestohlen hatte. »In Ordnung, Junge«, sagte John lächelnd. »Die 163

    Jungs und ich vergeben dir deine Schwäche, aber du musst ja immer noch richtig in unsere Gruppe eingeführt werden. «
    Ich nickte mir selbst zu, als mir die Geschichten im Kopf herumgingen, die ich darüber gehört hatte, wie John die beiden anderen Jungen vor der Aufnahme in die Bande geboxt und getreten hatte, bis sie zu Boden gesunken waren. Ich sah mich ebenfalls schon mit blutigem Gesicht, zerbrochener Brille und eingeschlagenen Zähnen. Stahlhart sah ich John in die Augen. »In Ordnung, Mann, da komm' ich schon mit klar!«, sagte ich weltläufig.
    »Nein, nein«, sagte John, als er mir seine noch nicht angezündete Zigarette vor die Nase hielt. »Für dich hab' ich was ganz Besonderes. Hör genau zu. Ich hab'
    die Nase voll von Mr. Smith. Der denkt, er wäre so toll, bloß weil er Lehrer ist. Er hat meiner Mutter einen Brief geschrieben, und seinetwegen hab' ich sie jetzt ständig im Nacken. Darum ... würde ich sagen ... sollten wir ihm in der Schule mal die Bude überm Kopf anstecken! «
    Ich bekam den Mund nicht wieder zu. »Was? Mann, du ... das ... das kann doch nich' dein Ernst sein?«
    »Hey, ich sag ja nich', dass du das machen sollst.
    Ich sag nur, dass du für mich Schmiere stehen sollst.
    Das ist alles. Auf die beiden Schlappschwänze da kann ich mich doch nicht verlassen. Diese Waschlappen! Aber du ... du hast Mumm.« Plötzlich änderte sich Johns Tonfall. »Und wenn du mich je verpfeifen solltest, schlage ich dich zu Brei.« Sekundenbruchteile später änderte er seinen Ton abermals. »Hey, Mann, keine Panik. Ich sag ja nich', dass ich's heute tun will. Du musst nur da sein, wenn ich dich brauche. Abgemacht?«

    164

    »Ja, Mann.« Ich nickte. »Ich helf dir. Ich bin cool.« Als ich ging, hatte ich den Eindruck, er wolle sich nur als besonders harter Hund aufspielen. »Niemand brennt doch nur mal so eine Schule ab«, redete ich mir ein.
    »Aber was ist, wenn er's doch ernst meint? Was soll ich dann nur machen? « Ich konnte doch Mrs. Catanze nichts sagen, und schon gar nicht den Lehrern. Auf keinen Fall aber würde ich John je verraten - nicht weil ich nett sein wollte, sondern weil ich Angst davor hatte, brutal behandelt zu werden und mit den
    anschließenden Demütigungen leben zu müssen.
    An den folgenden Tagen hatte ich regelrecht Angst, John über den Weg zu laufen, weil er unablässig seinen Schwur erneuerte, eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft werde er seinem Lehrer mal so richtig zeigen, was 'ne Harke ist. Doch als sich die Wochen hinzogen, begann ich zu glauben, dass John, wenn er allen möglichen Leuten ständig von seinen Plänen erzählte, einfach nur angeben wollte, um Aufmerksamkeit zu erringen. Manchmal gab ich dann vor versammelter Mannschaft ebenfalls an und sagte, John und ich, wir beiden hätten »den Plan« entwickelt, um allen in der Schule mal zu zeigen, was für harte Burschen wir in Wirklichkeit waren. Und je mehr ich angab, desto größer wurde die Menge der Versammelten. Ich staunte, wie sehr all die Kinder, die mich vorher lächerlich gemacht hatten, jetzt an meinen Lippen hingen.
    Und nach ein paar Tagen des Herumschwadronierens war in

    meinen Reden Johns Beteiligung sogar schon ganz verschwunden. Ich merkte, wie ich auf einmal sagte, ich würde derjenige sein, der die Tat ausführen werde.

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    Die Wochen vergingen, und bald hatte ich »den Plan«
    schon ganz vergessen - bis mir eines Tages nach der Schule John mit unergründlichem, kaltem Blick in den Augen befahl, in einer Stunde wieder in der Schule zu sein. Ich spürte, wie ich einen dicken Hals bekam.
    »Okay, Mann, ich komme«, sagte ich, noch ehe ich in

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