Middlesex
hast, verdammt.«
»Wir gehen auch... sssss... Mir ist der... sssss... Appetit vergangen.«
Sogar für Onkel Pete, dem selbst ernannten Opernfan, hörte es an dem Punkt auf. »Vielleicht ist Gus ja nicht in Griechenland aufgewachsen«, sagte er, »aber ich, wie du dich bestimmt erinnerst. Du sprichst von meinem Geburtsland, Milton. Und der wahren Heimat deiner Eltern.«
Die Gäste gingen. Und kamen nicht wieder. Jimmy und Phyllis Fioretos. Gus und Helen Panos. Peter Tatakis. Die Buicks fuhren vor der Middlesex ab, hinterließen eine Leerstelle in unserem Wohnzimmer. Danach gab es keine Sonntagsessen mehr. Es war vorbei mit den großnasigen Männern, die sich mit einem Trompetenstoß schnauzten. Vorbei mit den wangenkneifenden Frauen, die aussahen wie Melina Mercouri in ihren späteren Jahren. Vor allem aber vorbei mit den Wohnzimmerdebatten. Kein Streiten und Beispiele-Anführen und Die-berühmten-Toten-Zitieren und Das-elende-Leben- Geißeln. Kein Regieren von unseren Zweiersofas aus. Kein Ummodeln der Steuergesetze, kein philosophisches Gerangel über die Rolle der Regierung, den Wohlfahrtsstaat, das schwedische Gesundheitssystem (ersonnen von einem gewissen Dr. Fioretos, nicht verwandt). Das Ende einer Ära. Nie wieder. Nie mehr sonntags.
Die Einzigen, die blieben, waren Tante Zo, Father Mike und unsere Cousine und Cousins, weil sie mit uns verwandt waren. Tessie war böse auf Milton, weil er einen Streit vom Zaun gebrochen hatte. Das sagte sie ihm auch, woraufhin Milton explodierte und sie ihn den Rest des Tages mit Schweigen strafte. Father Mike machte sich das zunutze und entführte Tessie aufs Sonnendach. Milton setzte sich in sein Auto und fuhr davon. Tante Zo und ich brachten später Erfrischungen aufs Dach. Ich hatte kaum den Kies zwischen den dicken Redwood-Geländern betreten, als ich Tessie und Father Mike auf den schwarzen, eisernen Verandamöbeln sitzen sah. Father Mike hielt meiner Mutter die Hand, das bärtige Gesicht dicht an ihrem, und blickte ihr in die Augen, während er leise mit ihr sprach. Offenbar hatte meine Mutter geweint. Sie hatte ein Taschentuchknäuel in der Hand. »Callie hat Eistee«, verkündete Tante Zo, als sie hinterherkam, »und ich hab den Schnaps.« Aber dann sah sie, wie Father Mike meine Mutter anblickte, und verstummte. Errötend erhob sich meine Mutter.
»Ich nehm den Schnaps, Zo.« Alle lachten betreten. Tante Zo schenkte ein. »Nicht hersehen, Mike«, sagte sie. »Die Presvitera betrinkt sich nun am Sonntag.«
Am darauf folgenden Freitag fuhr ich mit dem Vater des Objekts zu ihrem Sommerhaus in der Nähe von Petoskey. Es war ein viktorianischer Prachtbau, überkrustet mit aufwendigem, geschmacklosem Zierrat und gestrichen in der Farbe eines sauren Pistaziendrops. Der Anblick des Hauses bezauberte mich. Es stand, bewacht von hohen Kiefern, auf einer Anhöhe über der Little Traverse Bay, und alle Fenster loderten.
Ich konnte gut mit Eltern. Eltern waren meine Spezialität. Im Auto auf der Hinfahrt hatte ich mich mit dem Vater des Objekts lebhaft und abwechslungsreich unterhalten. Von ihm hatte sie ihre Farben. Mr. Objekt war ganz Kelte. Allerdings hatte er die fünfzig schon weit überschritten, und seine rötlichen Haare waren nahezu ausgebleicht wie der Samenstand eines Löwenzahns. Auch seine sommersprossige Haut wirkte erloschen. Er trug einen Khakianzug aus Popeline und eine Fliege. Nachdem er mich abgeholt hatte, hielten wir noch an einem Laden für Partybedarf am Highway, wo Mr. Objekt einen Sechserpack Smirnoff-Cocktails kaufte.
»Martini in der Dose, Callie. Wir leben in einer Zeit der Wunder.«
Fünf Stunden später bog er, keineswegs mehr nüchtern, in den Feldweg ein, der zu dem Sommerhaus führte. Es war schon zehn. Im Mondschein trugen wir unser Gepäck auf die hintere Veranda. Pilze sprenkelten den Kiefernnadelteppich auf dem Pfad zwischen den dünnen grauen Kiefern. Dicht am Haus murmelte zwischen bemoosten Steinen ein artesischer Brunnen.
Als wir zur Küchentür hereinkamen, stießen wir auf Jerome. Er saß am Tisch und las die Weekly World News. Sein blasses Gesicht ließ darauf schließen, dass er den ganzen Monat so verbracht hatte. Sein glanzloses schwarzes Haar wirkte besonders schlapp. Er trug ein Frankenstein-T-Shirt, Seersucker-Shorts und weiße Segeltuch-Topsider ohne Socken.
»Darf ich dir Miss Stephanides vorstellen«, sagte Mr. Objekt.
»Willkommen in der Wildnis.« Jerome stand auf und schüttelte seinem Vater die Hand. Sie
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