Middlesex
Als ich den Bauch des Objekts küsste, reagierte ich nicht nur auf angenehme Stimuli wie bei Clementine. Ich verließ nicht meinen Körper wie bei Jerome. Mir war jetzt sonnenklar, was da geschah. Ich dachte darüber nach.
Ich dachte, dass dies nun das war, was ich immer gewollt hatte. Ich erkannte, dass nicht nur ich hier etwas vortäuschte. Ich fragte mich, was wohl geschehen würde, wenn jemand entdeckte, was wir taten. Ich dachte, dass alles sehr kompliziert war und nur noch komplizierter werden würde.
Ich fasste sie unten an den Hüften. Ich hakte einen Finger unter den Bund ihrer Unterhose. Ich begann, sie ihr auszuziehen. Und da hob das Objekt die Hüften, ganz sacht, um es mir leichter zu machen. Das war ihr einziger Beitrag.
Am nächsten Tag sprachen wir nicht darüber. Als ich aufstand, war das Objekt schon aus dem Bett. Sie war in der Küche und sah ihrem Vater bei der Zubereitung von Scrapple zu. Scrapple machen war Mr. Objekts sonntagmorgendliches Ritual. Er gebot über das sprudelnde Fett und Schmalz, während das Objekt immer wieder in die Bratpfanne schaute und »Das ist ja so ekelhaft« sagte. Aber bald machte sie sich über einen Teller davon her und stellte mir auch einen hin. »Das gibt wieder schlimmes Sodbrennen«, sagte sie.
Ich verstand die unausgesprochene Botschaft sofort. Das Objekt wollte kein Drama, keine Schuldzuweisung. Auch kein romantisches Theater. Sie redete weiter über das Scrapple, um die Nacht vom Tag zu trennen, um klarzustellen, dass das, was in der Nacht geschehen war, was wir nachts taten, mit den Stunden des Tages nichts zu tun hatte. Auch sie war eine gute Schauspielerin, und manchmal fragte ich mich, ob sie während der ganzen Sache vielleicht tatsächlich geschlafen hatte. Oder vielleicht hatte ich es ja nur geträumt.
Nur zweimal gab sie mir im Lauf des Tages einen Hinweis darauf, dass sich zwischen uns etwas verändert hatte. Am Nachmittag traf Jeromes Filmcrew ein. Sie bestand aus zwei seiner Freunde, die Kisten und Kabeltrommeln und ein langes, wuscheliges Mikrophon herantrugen, das eher wie eine aufgerollte, schmutzige Badematte aussah. Mittlerweile redete Jerome nicht mehr mit mir. Sie richteten sich in einem kleinen Geräteschuppen auf dem Grundstück ein. Das Objekt und ich beschlossen, sie zu beobachten. Jerome hatte gesagt, wir sollten wegbleiben, daher konnten wir nicht anders. Wir schlichen uns an, huschten von Baum zu Baum. Oft mussten wir innehalten, um Lachanfälle zu unterdrücken, versetzten einander Klapse, vermieden es, uns anzusehen, bis wir uns wieder in der Gewalt hatten. Wir spähten zum hinteren Fenster des Schuppens hinein. Viel passierte nicht. Der eine von Jeromes Freunden klebte eine Lampe an die Wand. Es war schwierig, gleichzeitig durch das kleine Fenster zu schauen, deshalb stellte sich das Objekt vor mich. Sie legte sich meine Hände auf den Bauch und hielt mich an den Handgelenken fest. Nach außen hin galt ihre Aufmerksamkeit jedoch dem, was im Schuppen vor sich ging.
Jerome erschien im Kostüm des Schülervampirs. Unter der traditionellen Dracula-Weste trug er ein pinkfarbenes Lacoste- Hemd. Statt einer Fliege hatte er sich ein Plastron umgebunden. Seine schwarzen Haare waren zurückgekämmt, sein Gesicht mit Schminke geweißt, und in der Hand hatte er einen Cocktailshaker. Der eine Freund hielt einen Besenstiel, an dem eine Gummifledermaus baumelte. Der andere bediente die Kamera. »Action«, sagte Jerome. Er hob den Cocktailshaker, schüttelte ihn mit beiden Händen. Dabei flatterte ihm die Fledermaus um den Kopf. Jerome nahm den Deckel ab und goss das Blut in die Martinigläser. Eines hielt er seiner Freundin, der Fledermaus, hin, die prompt hineinplumpste. Jerome trank von seinem Blutcocktail. »Genau wie du ihn magst, Muffie«, sagte er zu der Fledermaus. »Sehr trocken.«
Unter meinen Händen wackelte der Bauch des Objekts, als sie lachte. Sie lehnte sich an mich, und ihr Fleisch, das in meinen Armen gefangen war, bebte und gab nach. Ich presste mich mit dem Becken an sie. Das alles lief heimlich hinter dem Schuppen ab, wie eine Füßelei. Aber dann ließ der Kameramann die Kamera sinken. Er zeigte auf uns, und Jerome drehte sich um. Sein Blick heftete sich auf meine Hände und wanderte hoch zu meinen Augen. Er bleckte seine Fangzähne, versengte mich mit einem Blick. Und dann brüllte er mit seiner normalen Stimme: »Haut bloß ab, ihr Pisser! Wir drehen!« Er kam ans Fenster und schlug dagegen, aber da rannten wir schon
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