Middlesex
Gift, und davon musste ich mich reinigen. Während ich so vor mich hin jammerte, hörte ich das Fliegengitter unten zuschlagen. Ich wischte mir die Nase am Laken ab, versuchte, mich zu beruhigen, und horchte. Schritte kamen die Treppe herauf, und gleich darauf ging die Zimmertür auf und wieder zu. Das Objekt war hereingekommen und stand im Dunkel da. Vielleicht wartete sie, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten. Ich lag auf der Seite und stellte mich schlafend. Die Dielen knarrten, als sie zu meiner Seite des Bettes kam. Ich spürte, wie sie neben mir stand und zu mir herabsah. Dann ging sie auf die andere Seite, zog Schuhe und Shorts aus, schlüpfte in ein T-Shirt und legte sich hin.
Das Objekt schlief auf dem Rücken. Einmal hatte sie mir gesagt, Rückenschläfer seien Führernaturen, geborene Selbstdarsteller oder Exhibitionisten. Bauchschläfer wie ich zögen sich vor der Realität zurück, neigten zu Grübeleien und meditativen Künsten. In unserem Fall traf diese Theorie zu. Ich lag auf dem Bauch, Nase und Augen gereizt vom Weinen. Das Objekt, rücklings, gähnte und (wie die geborene Selbstdarstellerin, wer weiß) schlief bald ein.
Ich wartete ungefähr zehn Minuten, um sicherzugehen. Dann, als würfe ich mich im Schlaf herum, rollte ich mich auf die Seite, sodass ich das Objekt im Blick hatte. Der Mond stand zwischen voll und halb und füllte das Zimmer mit blauem Licht. Da auf dem Korbbett schlief das obskure Objekt. Der obere Teil ihres Groton-T-Shirts war zu sehen. Es war ein altes von ihrem Vater und hatte Löcher. Ein Arm lag quer über ihrem Gesicht, wie der Balken auf einem »Berühren verboten«-Schild. Also betrachtete ich sie nur. Ihre Haare waren auf dem Kissen ausgebreitet. Ihr Mund stand etwas offen. Etwas in ihrem Ohr glitzerte, vielleicht Sandkörnchen vom Strand. Hinter ihr glommen die Zerstäuber auf der Kommode. Irgendwo darüber war die Zimmerdecke. Ich spürte, wie die Spinnen in den Ecken werkelten. Die Laken waren kühl. Das dicke Daunenbett, das zu unseren Füßen aufgerollt war, verlor Federn. Ich war mit dem Geruch neuer Teppichböden aufgewachsen, von Polyesterhemden, heiß vom Trockner. Hier rochen die ägyptischen Bezüge wie Hecken, die Kissen wie Wasservögel. Das Objekt war, dreißig Zentimeter von mir entfernt, Teil all dessen. Ihre Farben vertrugen sich mit der amerikanischen Landschaft, ihre Kürbishaare, ihre Apfelmosthaut. Sie gab einen Laut von sich, dann wieder Stille.
Vorsichtig zog ich die Decke von ihr. In der Düsternis traten ihre Konturen hervor, die Hänge ihrer Brüste unterm T-Shirt, der sanfte Hügel ihres Bauchs und dann das Leuchten ihrer Unterhose, die in ein V auslief. Sie rührte sich nicht. Ihr Oberkörper hob und senkte sich mit der Atmung. Langsam, bemüht, kein Geräusch zu machen, rückte ich näher. Winzige Muskeln in meiner Seite, Muskeln, von deren Existenz ich nichts gewusst hatte, boten plötzlich ihre Dienste an. Sie beförderten mich Millimeter um Millimeter über das Laken. Die alten Bettfedern ärgerten mich. Mein unbekümmertes Vordringen begleiteten sie mit deftigen Ermunterungen. Sie johlten, sie sangen. Immer wieder hielt ich inne und begann von neuem. Es war harte Arbeit. Ich atmete durch den Mund, was leiser war.
Im Verlauf von zehn Minuten glitt ich immer näher an sie heran. Inzwischen spürte ich ihre Körperwärme von oben bis unten. Noch berührten wir einander nicht, bestrahlten uns nur. Sie atmete tief. Ich auch. Wir atmeten zusammen. Schließlich fasste ich Mut und warf einen Arm über ihre Taille.
Dann lange Zeit nichts mehr. Nachdem ich so viel erreicht hatte, fürchtete ich mich, weiter vorzudringen. Also verharrte ich reglos, sie halb umarmend. Mein Arm wurde steif. Er pochte und wurde taub. Das Objekt hätte ebenso gut unter Medikamenteneinfluss stehen oder im Koma liegen können. Dennoch spürte ich eine Wachheit in ihrer Haut, ihren Muskeln. Nach einer weiteren langen Weile wagte ich den Sprung. Ich packte ihr T-Shirt und hob es hoch. Lange starrte ich auf ihren nackten Bauch und senkte dann, in einer Art Wehmut, meinen Kopf. Ich küsste das Objekt auf den Bauch und bewegte mich mit wachsendem Selbstvertrauen aufwärts.
Erinnern Sie sich noch an mein Froschherz? In Clementine Starks Zimmer hatte es sich von einem schlammigen Ufer abgestoßen, sich zwischen zwei Elementen bewegt. Jetzt tat es etwas noch Erstaunlicheres - es kroch an Land. Jahrtausende in dreißig Sekunden pressend, entwickelte es ein Bewusstsein.
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