Middlesex
davon.
Später, gegen Abend, klingelte das Telefon. Die Mutter des Objekts nahm ab. »Es ist Rex«, sagte sie. Das Objekt stand vom Sofa auf, wo wir gerade Backgammon spielten. Ich stapelte meine Steine neu, um mich zu beschäftigen. Ich häufte sie säuberlich auf, immer wieder, während das Objekt mit Rex redete. Sie lief beim Sprechen durchs Zimmer, spielte mit der Schnur. Ich hielt den Blick auf den Steinen, schob sie mal hierhin, mal dorthin. Dabei lauschte ich dem Gespräch. »Nichts weiter, ich spiel bloß Backgammon... mit Callie... Der macht seinen blöden Film... Ich kann nicht, es gibt bald Abendessen... Ich weiß nicht, vielleicht später... Überhaupt bin irgendwie müde.« Auf einmal wirbelte sie herum und fixierte mich. Mit Mühe blickte ich auf. Das Objekt zeigte auf das Telefon, sperrte dann weit den Mund auf und steckte sich einen Finger in den Hals. Mein Herz floss über.
Die Nacht kam wieder. Im Bett trafen wir die üblichen Präli minarien, schüttelten die Kissen auf, gähnten. Warfen uns herum, um eine bequeme Lage zu finden. Und dann, nach einer angemessenen Zeit der Stille, verursachte das Objekt ein kleines Geräusch. Es war ein Murmeln, ein in der Kehle erstickter Schrei, als spreche sie im Schlaf. Danach wurde ihre Atmung tiefer. Und Calliope wertete das als grünes Licht und machte sich auf den langen Treck übers Bett.
Das also war unsere Liebesaffäre. Ohne Worte, mit Scheuklappen, in der Nacht, wie im Traum. Auch meinerseits gab es dafür Gründe. Was ich auch war, es wurde am besten langsam, in schmeichelhaftem Licht enthüllt. Was bedeutete, am besten ohne Licht. Außerdem läuft es eben so bei Jugendlichen. Man probiert die Dinge im Dunkeln aus. Man betrinkt oder bekifft sich und improvisiert. Erinnern Sie sich an Ihre Rücksitze, Ihre Zweimannzelte, Ihre Lagerfeuer am Strand. Haben Sie sich je, ohne es zuzugeben, mit Ihrem besten Freund, Ihrer besten Freundin eingelassen? Oder in einem Wohnheimzimmerbett zu zweit statt allein gelegen, während auf der fipsigen Anlage Bach spielte und die Fuge orchestrierte? Früher Sex ist jedenfalls eine Art Fugenzustand. Bevor die Routine beginnt, oder die Liebe. Wenn das Fummeln noch weitgehend anonym ist. Sandkastensex. Er beginnt im Teenageralter und dauert bis zwanzig, einundzwanzig. Er dreht sich rein ums Teilenlernen. Ums Spielsachenteilen.
Manchmal, wenn ich auf das Objekt robbte, wachte sie beinahe auf. Sie bewegte sich, um mir entgegenzukommen, spreizte die Beine oder legte mir einen Arm über den Rücken. Sie schwamm zur Oberfläche der Bewusstheit, um gleich wieder abzutauchen. Ihre Lider flatterten. Eine Empfänglichkeit schlüpfte in ihren Körper, ihr Unterleib wogte im Gleichtakt mit meinem, sie warf den Kopf zurück, um mir den Hals darzubieten. Ich wartete auf mehr. Ich wollte, dass sie anerkannte, was wir taten, doch auch ich hatte Angst. Und so erhob sich der schlanke Delphin, sprang durch den Ring meiner Beine und verschwand wieder, und ich blieb schwankend zurück und versuchte, im Gleichgewicht zu bleiben. Unten war alles nass. Ob von mir oder ihr, wusste ich nicht. Ich legte den Kopf auf ihre Brust unterhalb des hochgebauschten T-Shirts. In den Achseln roch sie wie eine überreife Frucht. Die Haare dort waren sehr spärlich. »Hast du's gut«, hätte ich früher in unserem Tagesleben gesagt. »Du brauchst dich nicht zu rasieren.« Doch die Calliope der Nacht strich nur über die Haare oder kostete sie. Eines Nachts, als ich dies und noch anderes tat, bemerkte ich an der Wand einen Schatten. Ich glaubte, es sei ein Nachtfalter. Aber als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass es die Hand des Objekts war, die hinter meinem Kopf in die Luft ragte. Ihre Hand war hellwach. Sie ballte und öffnete sich, sog alle Ekstase aus dem Körper in ihr heimliches Erblühen.
Was das Objekt und ich miteinander machten, vollzog sich nach diesen lockeren Regeln. Wir hielten uns nicht weiter mit Kleinigkeiten auf. Unsere Aufmerksamkeit galt dem, dass es geschah, dass Sex geschah. Das war das große Faktum. Wie genau er geschah, was wohin gelegt oder geschoben wurde, war zweitrangig. Außerdem hatten wir kaum etwas, womit wir es vergleichen konnten. Lediglich unsere Nacht in der Hütte mit Rex und Jerome.
Was den Krokus anging, so war er weniger ein Stück von mir als etwas, was wir gemeinsam entdeckten und genossen. Dr. Luce wird Ihnen sagen, dass weibliche Affen ein Besteigungsverhalten zeigen, wenn ihnen männliche Hormone verabreicht
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