Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
Ich habe geschworen, niemals ein Leben zu nehmen, aber ich kann nicht zulassen, daß Wesen wie sie meinen Ruheplatz heimsuchen.«
Tomas ließ sich vernehmen. »Rhuagh war sehr nett zu mir, Dolgan. Er hat mich hierbleiben lassen, bis Ihr mich gefunden habt, denn er wußte, daß jemand kommen würde.« Dolgan schaute zu dem Lindwurm hinüber und staunte über dessen Voraussicht. Tomas fuhr fort: »Er hat mir Räucherfisch zu essen gegeben und auch einen Platz, an dem ich ruhen konnte.«
»Die Kobolde, die Ihr als Gnomen kennt, beten mich als einen Gott an. Sie bringen mir Opfer, Fisch, den sie im tiefen See gefangen und geräuchert haben, und Schätze aus tieferen Hallen.«
»Aye«, meinte Dolgan, »Gnome sind noch niemals als besonders klug bekannt gewesen.«
Der Lindwurm kicherte. »Recht habt Ihr. Die Kobolde sind schüchtern und verletzen nur jene, die sie in ihren tiefen Tunneln ärgern. Sie sind ein einfaches Volk, und es gefällt ihnen, einen Gott zu haben. Da ich nicht in der Lage bin zu jagen, ist das ein angenehmes Abkommen.«
Dolgan dachte über seine nächste Frage nach. »Ich möchte nicht respektlos sein, Rhuagh, aber ich habe die Erfahrung mit Drachen gemacht, daß sie andere Wesen nicht gerade lieben. Weshalb habt Ihr dem Knaben geholfen?«
Der Drache schloß für einen Moment die Augen. Als er sie öffnete, starrte er den Zwerg ausdruckslos an. »Wisse, Zwerg, daß es nicht immer so gewesen ist.
Euer Volk ist alt, aber das meine ist das älteste von allen, mit einer Ausnahme.
Wir waren schon vor den Elben und den Moredhel hier. Wir dienten jenen, deren Namen nicht ausgesprochen werden dürfen, und wir waren ein glückliches Volk.«
»Die Drachenherrscher?«
»So werden sie in Euren Legenden genannt. Sie waren unsere Herren und wir ihre Diener, wie auch die Elben und die Moredhel. Als sie dieses Land verließen, um eine Reise jenseits aller Vorstellung anzutreten, wurden wir das mächtigste der freien Völker. Das war eine Zeit, noch ehe die Zwerge oder Menschen in diese Lande kamen. Wir herrschten über die Himmel und alle Dinge, denn wir waren mächtiger als alle anderen.
Vor Urzeiten nun kamen Menschen und Zwerge in unsere Berge, und einige Zeit lebten wir in Frieden. Aber alles änderte sich. Die Elben trieben die Moredhel aus dem Wald, der heute Elvandar genannt wird, und Männer und Zwerge lagen im Krieg mit den Drachen.
Wir waren stark, aber die Menschen sind wie die Bäume des Waldes, und ihre Zahl ist unfaßbar. Langsam floh mein Volk gen Süden, und ich bin der letzte hier in den Bergen. Ich habe seit Urzeiten hier gelebt, denn ich wollte mein Heim nicht verlassen.
Durch Magie konnte ich jene vertreiben, die diesen Schatz gesucht haben, und jene töten, deren Künste es mir zu schwierig machten, ihren Geist zu umwölken. Ich mochte nicht mehr töten und schwor mir, kein Leben mehr zu nehmen, selbst nicht mehr jenes der verhaßten Moredhel. Deshalb sandte ich sie weit fort, und aus diesem Grunde half ich auch dem Jungen, denn er trägt keine Schuld.«
Dolgan musterte den Lindwurm. »Ich danke Euch, Rhuagh.«
»Euer Dank ist willkommen, Dolgan aus den Grauen Türmen. Auch über Euer Kommen freue ich mich. Ich könnte den Knaben nur noch wenig länger schützen, denn ich rief Tomas durch magische Künste an meine Seite, auf daß er meine Totenwache halten kann.«
»Was?« rief Tomas.
»Es ist den Drachen gegeben, die Stunde ihres Todes zu kennen, Tomas, und die meine ist nah. Ich bin alt, selbst gemessen an meinem Volke, und ich habe ein erfülltes Leben geführt. Ich bin zufrieden, daß es so ist. Das ist unsere Art.«
Dolgan sah besorgt aus. »Trotzdem finde ich es merkwürdig, hier zu sitzen und Euch davon reden zu hören.«
»Warum, Zwerg? Gilt es nicht auch für Euer Volk, daß, wenn jemand stirbt, davon gesprochen wird, wie gut er gelebt hat und nicht wie lange?«
»Da habt Ihr allerdings recht.«
»Warum sollte es dann wichtig sein, ob die Todesstunde bekannt ist oder nicht? Es ist immer noch dasselbe. Ich habe alles gehabt, was einer meiner Art erhoffen kann: Gesundheit, Weiber, Junge, Reichtümer und Ruhe. Das ist alles, was ich mir je gewünscht habe, und ich habe es gehabt.«
»Es ist eine gute und weise Sache zu wissen, was man will, und noch besser und weiser ist es zu wissen, wann es erreicht worden ist«, sagte Dolgan.
»Wie wahr. Aber noch weiser ist es zu wissen, wenn etwas unerreichbar ist, denn dann wäre es Narrheit, es erlangen zu wollen. Es ist
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