Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
König. So ist das bei meinem Volk.«
Tomas streckte den Arm nach ihr aus und drehte sie zu sich herum. »Es war nicht immer so.«
Ein Funken Angst zeigte sich in ihren Augen. »Nein, wir waren nicht immer ein freies Volk.«
Sie spürte die Ungeduld in ihm, aber sie sah auch, wie er dagegen ankämpfte und sich zwang, mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Empfindet Ihr also nichts?«
Sie machte einen Schritt zurück. »Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, daß ich nichts empfinde. Aber es ist ein sonderbares Ziehen, und etwas, das mich mit Unsicherheit und Furcht erfüllt. Wenn du mehr Valheru wirst, mehr, als der Mensch ertragen kann, dann können wir dich hier nicht willkommen heißen. Wir würden nicht zulassen, daß die Alten zurückkehren.«
Tomas lachte. Es war eine merkwürdige Mischung aus Bitterkeit und Humor. »Als Knabe verehrte ich Euch, und die Sehnsucht eines Knaben erfüllte mich. Jetzt bin ich ein Mann und verehre Euch mit der Sehnsucht eines Mannes. Ist die Macht, die mich so kühn macht, Euch zu umwerben, und die mir die Mittel verleiht, das zu tun, auch die Macht, die uns voneinander trennt?«
Aglaranna legte eine Hand an die Wange. »Ich weiß es nicht. In der königlichen Familie hat noch niemand versucht, anders zu sein, als wir sind. Vielleicht suchen andere die Verbindung mit Menschenwesen. Aber ich möchte diesen Kummer nicht erleben, wenn du alt und grau bist, und ich bin immer noch so, wie du mich jetzt siehst.«
Tomas’ Augen blitzten auf, und seine Stimme wurde scharf. »Das wird niemals geschehen, meine Dame. Ich werde tausend Jahre in dieser Schneise hier leben. Daran hege ich keinen Zweifel.
Aber ich werde Euch nicht länger belästigen… nicht, solange noch andere Angelegenheiten zu regeln sind. Das Schicksal hat uns füreinander bestimmt, Aglaranna. Ihr werdet das noch erkennen.«
Sie stand vor ihm. Sie hatte eine Hand zum Mund erhoben, und ihre Augen waren feucht. Er schritt davon, ließ sie allein m ihrem Hof zurück, wo sie darüber nachdachte, was er gesagt hatte.
Zum erstenmal, seit ihr Herrscher-König verschieden war, fühlte sich Aglaranna zwischen zwei Gefühlen hin- und hergerissen: Furcht und Sehnsucht.
Tomas wandte sich um, als er vom Rande der Lichtung angerufen wurde. Ein Elb trat zwischen den Bäumen heraus. Ihm folgte ein einfach gekleideter Mann. Er unterbrach seine Unterhaltung mit Calin und Dolgan, und die drei eilten dem Fremden hinterher, als er zum königlichen Hof geleitet wurde. Aglaranna saß auf ihrem Thron. Ihre Ratgeber hatten sich auf Bänken zu beiden Seiten von ihr niedergelassen. Tathar stand neben der Königin.
Der Fremde näherte sich dem Thron und verbeugte sich leicht. Tathar warf einen kurzen Blick auf den Wachtposten, der den Mann begleitet hatte, aber der Elb sah verstört aus. Der Mann in Braun sagte: »Ich grüße Euch, meine Dame.« Er sprach in perfektem Elbisch.
Aglaranna antwortete in der Sprache der Könige. »Ihr tretet kühn bei uns auf, Fremdling.«
Der Mann lächelte und stützte sich noch schwerer auf seinen Stock. »Aber ich habe mir wenigstens einen Führer gesucht, denn ich wollte Elvandar nicht ungeheißen betreten.«
Tathar bemerkte: »Ich glaube, Eurem Führer blieb kaum eine Wahl.«
»Es gibt immer eine Wahl, wenngleich sie nicht immer offensichtlich scheint«, lautete die Antwort des Mannes.
Tomas trat vor. »Was ist Euer Begehren?«
Der Mann wandte sich der Stimme zu und lächelte. »Ah! Der Träger des Geschenks des Drachen. Tomas von Crydee.«
Tomas trat zurück. Die Augen des Mannes strahlten Macht aus, und hinter seiner lockeren Art verbarg sich Kraft, was Tomas deutlich fühlte. »Wer seid Ihr?«
»Ich habe viele Namen. Aber hier nennt man mich Macros den Schwarzen.« Er zeigte mit dem Stab auf die versammelte Menge. »Ich bin gekommen, weil Ihr einen kühnen Plan gefaßt und angefangen habt, ihn in die Tat umzusetzen.« Bei den letzten Worten wies er mit seinem Stock auf Tomas. Er senkte die Spitze und stützte sich wieder darauf. »Aber der Plan, eine Schwarze Robe gefangenzunehmen, wird Elvandar nichts anderes als Zerstörung bringen, wenn Ihr Euch nicht meiner Hilfe vergewissert.« Er lächelte ein wenig. »Ihr werdet beizeiten eine Schwarze Robe bekommen, aber noch nicht jetzt.«
Aglaranna erhob sich. Sie straffte die Schultern und sah ihm fest in die Augen. »Ihr wißt viel.«
Macros neigte leicht den Kopf. »Aye, ich weiß viel, manchmal mehr, als mir lieb ist.« Er trat an ihr vorüber
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