Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
die Takelage, um die Segel zu setzen. Die See-taube bewegte sich aus dem Hafen. Die versprochene Lücke in der Hafenblockade war zu erkennen, und Amos steuerte darauf zu. Er segelte hindurch, ehe auch nur ein Versuch gemacht werden konnte, sie aufzuhalten, und plötzlich lag der Hafen hinter ihnen, und sie befanden sich auf offener See.
Arutha verspürte ein merkwürdiges Triumphgefühl, als ihm klar wurde, daß sie Krondor verlassen hatten. Dann hörte er Amos fluchen. »Seht nur!«
Im schwachen Licht der Morgendämmerung bemerkte Arutha dort einen Umriß, wohin Amos zeigte. Das Kriegsschiff, der Dreimaster, den sie gesehen hatten, als sie in den Hafen eingelaufen waren, lag hier draußen vor Anker. Er war hier allen Blicken aus der Stadt her entzogen. »Ich dachte, der wäre mit Jessups Flotte draußen«, sagte Amos. »Dieser verdammte Radburn ist doch ein gerissenes Schwein. Die wird sich uns sofort an die Fersen heften, sobald er an Bord gehen kann.«
Er befahl, alle Segel zu setzen, und beobachtete dann, wie das Schiff hinter ihnen zurückblieb. »An Eurer Stelle würde ich zu Ruthia beten, Hoheit. Wenn wir genug Zeit herausschinden können, ehe sie lossegelt, wären wir vielleicht trotz allem noch in der Lage zu entkommen. Aber wir brauchen alles Glück, was die Göttin des Glücks erübrigen kann.«
Der Morgen war klar und kalt. Amos und Vasco beobachteten die Mannschaft bei der Arbeit, und beide waren mehr als zufrieden damit. Die weniger erfahrenen Männer waren durch Leute ersetzt worden, die Trevor Hull ausgesucht hatte. Sie arbeiteten schnell und gut, und die Seetaube raste gen Westen.
Anita war in einer Kabine unter Deck geführt worden, und Arutha und Martin standen bei Amos.
Der Ausguck verkündete klaren Horizont.
»Das wird eine knappe Sache, Hoheit. Wenn sie dieses verdammte Schiff so schnell wie möglich in Gang gesetzt haben, dann haben wir nur ein, höchstens zwei Stunden Vorsprung. Der Kapitän schlägt vielleicht zuerst noch den falschen Kurs ein. Aber da wir vor Jessups Flotte auf der Hut sein müssen, laufen sie wahrscheinlich an der keshianischen Küste entlang. Sicher riskieren sie es lieber, mit einem Kriegsschiff aus Kesh zusammenzustoßen, als uns zu verlieren. Ich werde mich erst wieder wohler fühlen, wenn wir mindestens zwei Tage keine Verfolger mehr gesehen haben.
Aber selbst wenn sie sofort ausgelaufen sind, holen sie doch in jeder Stunde nur ein kleines Stückchen auf. Deshalb sollten wir uns alle noch ein bißchen ausruhen, bis wir sicher wissen, daß sie uns in Sichtweite haben. Geht nach unten. Ich werde Euch rufen, wenn irgend etwas geschieht.«
Arutha nickte und ging, und Martin folgte ihm. Er wünschte ihm einen guten Schlaf und sah zu, wie der Jagdmeister seine Kabine betrat, die er mit Vasco teilte. Arutha trat in seine eigene Unterkunft. Dann blieb er stehen, als er Anita auf seiner Koje sitzen sah. Langsam schloß er die Tür. »Ich dachte, du würdest in deiner eigenen Kabine schlafen.«
Sie schüttelte leicht den Kopf. Und dann stand sie plötzlich vor ihm, den Kopf an seine Brust gelehnt. Sie wurde von Schluchzen geschüttelt, als sie sagte: »Ich habe versucht, tapfer zu sein, Arutha, aber ich hatte doch solche Angst.«
Einen Augenblick stand er unschlüssig und verlegen da. Dann legte er sanft die Arme um sie.
Ihre königliche Haltung war dahin, und Arutha erkannte plötzlich, wie jung sie noch war. Ihre Erziehung bei Hofe und ihre Manieren hatten ihr gute Dienste geleistet, als sie zwischen der rauhen Gesellschaft der Spötter Haltung bewahren mußte, aber jetzt hielt die Maske dem Druck nicht länger stand. Er strich ihr übers Haar und sagte: »Es wird ja alles wieder gut.«
Er murmelte weiterhin beruhigend auf sie ein, ohne zu wissen, was er eigentlich sagte, denn ihre Nähe beunruhigte ihn. Sie war so jung, daß er sie immer noch als Mädchen betrachtete, aber doch auch wieder so alt, daß er an seinem Urteil zweifelte. Er hatte noch nie mit den jungen Frauen bei Hofe herumschäkern können, so wie Roland es tat. Er hatte immer eine gute, offene Unterhaltung vorgezogen, die die Damen kaltzulassen schien. Auch hatte er nie ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen, so wie Lyam mit seinem guten Aussehen, den blonden Locken und auch mit seinem immerwährenden Lachen, seiner offenen, fröhlichen Art. Im großen und ganzen verursachten ihm Frauen immer ein unbehagliches Gefühl, und diese Frau – oder dieses Mädchen, er konnte sich nicht so recht
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