Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
entschließen – noch mehr als andere.
Als ihre Tränen versiegten, schob er sie zu dem einzigen Sessel in der überfüllten Kabine und setzte sich selbst auf die Koje. Sie schnüffelte kurz. »Entschuldige, das ist so – unschicklich.«
Plötzlich mußte Arutha lachen. »Was bist du doch für ein Mädchen!« erklärte er voll ehrlicher Zuneigung. »Ich an deiner Stelle wäre schon längst zusammengebrochen, wenn man mich aus dem Palast geschmuggelt, unter Halsabschneidern und Dieben versteckt gehalten und vor Radburns Spürhunden in Sicherheit gebracht hätte.«
Sie zog ein kleines Taschentuch aus ihrem Ärmel und tupfte sich damit die Nase. Dann lächelte sie ihm zu. »Danke, daß du das gesagt hast. Aber ich glaube, du hättest dich besser gehalten. Martin hat mir in den letzten Wochen eine Menge von dir erzählt, und demnach bist du ein ziemlich tapferer Mann.«
Arutha war verlegen, daß sie ihm so viel Beachtung geschenkt hatte. »Der Jagdmeister neigt zu Übertreibungen«, widersprach er, obwohl er wußte, daß das nicht wahr war. So wechselte er hastig das Thema. »Amos hat mir gesagt, wir haben gewonnen, wenn wir dieses Schiff zwei Tage lang nicht sehen.«
Sie schlug die Augen nieder. »Das ist gut.«
Er beugte sich vor und wischte eine Träne von ihrer Wange. Dann wurde er plötzlich verlegen und zog seine Hand wieder weg. »Bei uns m Crydee, fern von Guys Komplott, wirst du sicher sein.
Meine Schwester wird sich freuen, dich als Gast in unserem Haus begrüßen zu dürfen.«
Sie lächelte schwach. »Trotzdem mache ich mir Sorgen um Vater und Mutter.«
Arutha tat sein Bestes, um ihre Ängste zu mildern. »Jetzt, wo du nicht mehr in Krondor bist, hat Guy nichts zu gewinnen, wenn er deinen Eltern Leid zufügt. Vielleicht zwingt er deinen Vater trotzdem, seine Einwilligung zur Ehe zu geben. Aber wenn Erland sie jetzt erteilt, kann er damit keinen Schaden mehr anrichten. Du bist außer Reichweite, und so hat es überhaupt keine Bedeutung mehr. Ehe das alles zu Ende ist, werden wir mit unserem lieben Vetter Guy noch abrechnen.«
Sie seufzte. »Danke, Arutha. Jetzt fühle ich mich schon viel besser.«
Er stand auf. »Versuch zu schlafen. Ich werde vorläufig deine Kabine benutzen.« Sie lächelte, als sie zu seiner Koje hinüberging. Er schloß die Tür hinter sich. Plötzlich fühlte er sich überhaupt nicht mehr müde und kehrte an Deck zurück. Amos stand neben dem Steuermann und hatte die Augen in die Ferne gerichtet. Arutha trat neben ihn. »Da, am Horizont, könnt Ihr es sehen?«
Arutha kniff die Augen zusammen und entdeckte vor dem Blau des Himmels einen kleinen, weißen Punkt. »Radburn?«
Amos spie aus. »Denke schon. Der Abstand wird immer kleiner. Aber es wird ein hartes und langes Rennen werden. Wenn wir für den Rest des Tages weit genug voraus bleiben können, dann gelingt es uns vielleicht, ihnen im Laufe der Nacht zu entschlüpfen – wenn genug Wolken den Mond verdecken, damit er uns nicht verrät.«
Arutha sagte nichts, er beobachtete nur weiterhin den Fleck in der Ferne.
Während des ganzen Tages beobachteten sie, wie das Verfolgerschiff immer größer wurde.
Zuerst kam es nur ganz langsam, doch dann plötzlich mit erschreckender Geschwindigkeit. Arutha konnte die Segel schon deutlich erkennen. Jetzt war es nicht mehr nur ein weißer Fleck. Er konnte sogar einen winzigen schwarzen Punkt am Mast ausmachen – zweifellos Guys Banner.
Amos betrachtete die untergehende Sonne. Sie lag direkt vor der fliehenden Seetaube. Dann beobachtete er das Schiff, das sie verfolgte. Er rief zu der Wache empor: »Kannst du sie ausmachen?«
Der Ausguck rief zurück: »Dreimaster, Kriegsschiff, Käpt’n.«
Amos sah Arutha an. »Das ist die Royal Griffin, der Königliche Greif. Bei Sonnenuntergang wird sie uns eingeholt haben. Wenn wir bloß zehn Minuten mehr Zeit hätten, oder eine Schlechtwetterfront käme, so daß wir uns verstecken könnten, oder wenn sie ein bißchen langsamer wäre…«
»Was könnt Ihr tun?«
»Nur wenig. Bei halbem Wind ist sie einfach schneller, und zwar so schnell, daß wir sie nicht durch irgendwelche Tricks beim Segeln abhängen können. Wenn ich versuchen würde zu drehen, wenn sie ganz nah ist, dann könnte ich den Abstand zwischen uns ein wenig vergrößern, weil wir beide an Geschwindigkeit verlieren würden – aber sie würde eine Weile schneller abfallen. Aber sobald sie ihre Segel gerafft hat, würde sie uns wieder einholen. Nur kämen wir dadurch nach
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