Midkemia Saga 05 - Gefährten des Blutes
sicherlich am Ende dieses Tages nach den Zeremonien gesehen haben werdet.«
Erland wollte gerade antworten, als Kafi sagte: »Seht! Es beginnt.«
Ein hochgewachsener Mann, alt, doch immer noch muskulös, betrat die kaiserliche Loge und ging an ihren vordersten Rand. Er war wie alle Reinblütigen mit Kilt und Sandalen bekleidet, doch er trug dazu einen goldenen Halsring, der so schwer sein mochte wie ein Lederharnisch. Er hielt etwas in der Hand, das wie ein mit Blattgold belegter Holzstab aussah, der an der Spitze seltsam geschmückt war – es war ein Falke, der auf einer goldenen Scheibe thronte.
Kafi flüsterte, obwohl es Erland nicht möglich schien, daß sie jemand hören konnte: »Der Falke von Kesh, die kaiserliche Insignie.
Man bekommt ihn nur bei den allerhöchsten Festen zu sehen. Der Falke, der die Sonnenscheibe hält, ist den Reinblütigen heilig.«
Der alte Mann hob den Stab und stieß ihn auf den Boden; Erland staunte, wie laut das Pochen war. Da sagte der Mann: »Oh Kesh, größtes aller Völker, horche auf!«
Die Akustik im Amphitheater war vollkommen, Selbst jene die auf der anderen Seite der Prachtstraße auf den Gebäuden hockten, konnten den Mann vernehmen. Derweil erstarben die Geräusche der Menge.
»Sie ist gekommen! Sie ist gekommen! Sie, Die Kesh Ist, ist gekommen, und sie ehrt euer Leben mit ihrer Gegenwart!« Bei diesen Worten betrat eine Prozession von Hunderten von Reinblütigen gemessen die kaiserliche Loge. »Sie geht, und die Sterne scheinen zu ihrem Glänze, denn sie ist das Herz unseres Ruhms! Sie spricht, und die Vögel halten in ihrem Gesänge inne, denn ihre Worte sind das Wissen! Sie denkt nach, und die Gelehrsamen weinen, denn ihre Weisheit ist groß! Sie fällt ihr Urteil, und die Schuldigen verzweifeln, denn ihr Blick sieht den Menschen tief ins Herz!« Die Aufzählung der wunderlichen Eigenschaften der Kaiserin ging auf ähnliche Weise weiter, während mehr und mehr Reinblütige jeden Alters und Ranges die kaiserliche Loge betraten.
Erland dachte, er hätte bereits viele der wichtigen Leute des Kaiserreichs kennengelernt, doch allein in der kaiserlichen Gesellschaft entdeckte er Dutzende von fremden Gesichtern. Und der einzige, mit dem er bei mehr als einer Gelegenheit gesprochen hatte, war Lord Nirome, der wohlbeleibte und unabsichtlich komische Adlige, der ihn an der Grenze der Oberstadt als Adjutant von Prinz Awari begrüßt hatte. Erland war überrascht, denn Nirome war anscheinend mit der kaiserlichen Familie verwandt. Bedachte man diese Tatsache, war es nicht weiter verwunderlich, wenn dieser so offensichtlich ungeschickte Mann einen solch hohen Posten in der Regierung einnahm. Immer mehr Männer und Frauen von kaiserlichem Blute betraten die Loge und nahmen ihre Plätze ein, während der Zeremonienmeister mit seinen Lobgesängen auf die Tugenden der Kaiserin fortfuhr. Beeindruckend , dachte Erland und versuchte, mit Gamina Kontakt aufzunehmen.
James’ Ehefrau berührte ihn leicht am Arm und antwortete: Das denkt James auch.
»Kafi«, sagte Erland.
»Euer Hoheit?«
»Wäre es uns erlaubt, noch eine Weile hierzubleiben?«
»Solange Ihr zur rechten Zeit zu Eurer Rede eintretet, gibt es keinen Grund, der dagegen spräche, Hoheit.«
»Gut«, sagte Erland und lächelte den Beni-Wazir gewinnend an.
»Würdet Ihr mir einige Fragen beantworten?«
»Wenn ich dazu in der Lage bin«, antwortete der.
Und könntest du beisteuern, was du weißt, James , fügte Erland hinzu.
Gamina gab das weiter, und James nickte kaum merklich.
»Wieso sind schon so viele Menschen in der kaiserlichen Loge, obwohl ich noch keinen von den großen Lords gesehen habe?«
Kafi sagte: »Nur diejenigen, die mit der Kaiserin blutsverwandt sind, dürfen sich bei ihr in der kaiserlichen Loge aufhalten – abgesehen von Dienern und Wachen, natürlich.«
»Natürlich«, erwiderte Erland.
Und somit gibt es also wenigstens hundert Leute, die einen anerkannten, legitimierten Anspruch auf den Thron haben , fügte James hinzu.
Vorausgesetzt, in der Erbfolge sterben einige Leute vor ihnen , ergänzte Erland trocken.
So ist das , antwortete James.
Als alle Verwandten eingetreten waren, gab es den ersten Mißklang. Plötzlich erschienen schwarzgekleidete Krieger. Jeder trug einen schwarzen Turban, und jeder hatte das Gesicht bis auf einen Sehschlitz verhüllt. Lange, fließende Umhänge erlaubten den Männern leichte und rasche Bewegungen, und jeder trug in einer schwarzen Scheide einen
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