Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
Galerien spaziert. Im Palast standen nirgends Wachen, außer in der Eingangshalle, und den wenigen Dienern, die er bemerkt hatte, war er mit Leichtigkeit ausgewichen. Die meisten Zimmer wurden nicht benutzt – und nicht geputzt, wie man aus der dicken Staubschicht schließen konnte. Es war leicht, in die Küche hineinzuschlüpfen und sich dort alles zu nehmen, was er brauchte.
Und Äpfel hatte er ja sowieso immer dabei. Ein wenig fehlten ihm die Orangen. Er hatte sich doch sehr an sie gewöhnt.
Er hatte in weichen Betten geschlafen und sogar ein Bad genommen und eine neue Robe angezogen, die allerdings für einen weitaus größeren Mann gemacht worden war. Jetzt strahlte er in einer an Knien und Ellbogen abgeschnittenen, lavendelfarbenen Robe, die von einer purpurnen, goldgesäumten Schärpe zusammengehalten wurde. Er überlegte, ob er sich nicht in Zukunft Nakor der Purpurne Reiter nennen sollte, doch irgendwie fehlte dem Namen der Glanz. Wenn er wieder im Königreich wäre, würde er sich eine neue blaue Robe besorgen.
Am frühen Morgen hatte er die wunderschöne dunkle Lady Clovis vorbeieilen gesehen und war ihr gefolgt. Sie war in die tiefen Kammern des Palasts unter der Erde gegangen. Dort hatte sie sich mit dem Oberherrn getroffen, und die beiden hatten sich kurz unterhalten. Nakor war zu weit entfernt gewesen, er hatte weder etwas verstehen noch von den Lippen ablesen können -ein Trick, der oft sehr hilfreich war –, doch als der Oberherr gegangen war, hatte sich Nakor entschlossen, der Frau zu folgen. Irgend etwas an ihr war verwirrend vertraut.
Sie hatte einen langen unterirdischen Gang betreten, und er mußte weit zurückbleiben, um nicht gesehen zu werden. Fast eine halbe Stunde brauchte er, bis er das andere Ende des Ganges erreicht hatte, wo er vor einer verschlossenen Tür gestanden hatte. Es dauerte nicht lang, bis er das Schloß geöffnet hatte. Hinter der Tür hatte eine Treppe nach unten geführt. Ohne Zögern war er anfangs die Stufen hinunter geeilt, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen und in völliger Dunkelheit gestanden hatte. Schließlich hatte er doch gezögert. Die Dunkelheit machte ihm keine angst, doch er war nicht mit besonderen Sehfähigkeiten begabt, und irgendwelche Lichttricks wollte er auch nicht anwenden, weil sie aus Versehen für Magie gehalten werden könnten, und dann würde ihn Dahakon aufessen – falls das wirklich stimmte. Nakor zweifelte inzwischen daran.
Immerhin war es eine gute Geschichte, und Nakor stand mit beiden Beinen zu fest im Leben, um nicht zu ahnen, daß die Folgen einer Entdeckung von Magie nicht so angenehm sein würden wie das Anhören der Geschichte. Er griff in seinen Rucksack und fühlte nach dem zweiten Schlitz, den er hineingemacht hatte, einer, der nicht zu diesem Obsthändler in Ashunta führte. Er steckte seinen Arm bis zur Schulter in den Rücksack und tastete auf dem Tisch herum, den er noch vor zwei Jahren vorbereitet hatte, ehe er aufgebrochen war, um Ghuda zu suchen. Er hatte eine Menge nützlicher Gegenstände in einer Höhle in den Bergen bei Landreth, nicht weit von Stardock, gelagert und dann Felsen vor den Höhleneingang gerollt, damit sie niemand entdeckte. Danach hatte er mit aller Vorsicht einen Riß im Stoff – wie er es nannte – gemacht, und zwar so, daß er alles auf dem Tisch erreichen konnte, wenn er den Arm durch den Rucksack steckte.
Er fand, was er suchte, und zog die Lampe ungeschickt hervor. Er schloß den Schlitz im Stoff und wartete einen Augenblick lang. Er machte die Augen zu und richtete seine Sinne auf die Kraftlinien, die er über sich entdeckt hatte. Nichts in der Beschaffenheit des Stoffs ließ seine magischen Alarmglocken schrillen. Nakor zuckte mit den Schultern und grinste in die Dunkelheit. Offensichtlich bekam es der Zauberer doch nicht mit, wenn in der Stadt Magie benutzt wurde.
Während seines Herumlaufens im Palast hatte er viele Lügen aufgedeckt, und sicherlich würden noch einige dazukommen, bis diese Reise vorbei war. Er griff in den Beutel an seinem Gürtel und holte ein Feuerzeug hervor, und mit Feuerstein und Stahl hatte er die Lampe bald entzündet.
Jetzt, wo er sehen konnte, untersuchte er erst einmal seine Umgebung. Der unterirdische Gang führte weiter nach unten und verschwand in der Dunkelheit. Nakor folgte ihm, bis er wieder ebenerdig verlief. Er betrachtete die Wände, an denen grüner Schimmel wuchs und von denen Wasser tropfte, das sich zu seinen Füßen in Pfützen
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