Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
großen Verrat, einer Ehrlosigkeit, über die niemand sprechen durfte, weil sie so unsagbar groß war. Die Schlangen wurden gejagt und bis zum letzten Mann getötet. So dachte man.« Er senkte die Stimme. »Wißt Ihr, was wir mit ›bis zum letzten Mann‹ meinen?« Nicholas sagte nichts. »Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind, die Schlangenblut in sich hatten, wurden gejagt und getötet, egal wie jung oder wie unschuldig sie sein mochten. Brüder mußten die eigenen Schwestern töten, wenn diese Schlangen geheiratet hatten.«
Er legte sich seine Worte zurecht. »Ihr seid fremd hier, deshalb versteht Ihr viele Angelegenheiten der Clans nicht. Wir sind eins mit den Totems unserer Clans. Diejenigen von uns, die Magie benutzten, übernahmen ihre Form, und sie kennen ihre Weisheit. Wir sprachen mit ihnen, und sie führten unsere jungen Männer auf der Suche. Plötzlich passierte etwas mit dem Schlangenclan, der einst zu den mächtigsten gehört hatte. Etwas führte die Schlangen in die Dunkelheit, zum Bösen, und sie wurden verflucht.«
Nicholas sagte: »Seht Euch das hier an.« Er holte den Ring hervor. »Dieser Ring wurde einem Moredhel abgenommen – die Moredhel sind, wie Ihr es nennt, Langlebende –, und zwar in der Nähe der Heimat meines Onkels.«
Vaslaw blickte Nicholas an. »Was verbergt Ihr noch vor mir?«
Nicholas sagte: »Es gibt eine Sache, über die ich niemals reden dürfte, auch wenn es mich das Leben kosten sollte. Ich habe darauf einen Eid geschworen. Doch uns verbindet etwas. Wir haben einen gemeinsamen Feind, und der steckt hinter all diesen Vorkommnissen.«
»Wer?« fragte Hatonis. »Der Oberherr und Dahakon?«
»Vielleicht, aber vermutlich sind auch sie nicht die wirklichen Hintermänner. Was wißt Ihr über die pantathianischen Schlangenpriester?«
Vaslaw fuhr auf. »Unmöglich! Jetzt erzählt Ihr wieder Märchen.
Sie sind Geschöpfe der Legenden. Sie leben in einem geheimnisumwitterten Land, Pantathia, irgendwo im Westen – und sie sind Schlangen, die aufrecht gehen und sprechen können wie Menschen. Solche Geschöpfe gibt es nur in den Märchen, die Mütter ihren ungehorsamen Kindern erzählen.«
Amos sagte: »Sie sind keine Geschöpfe der Legende.« Vaslaw sah den alten Kapitän an.
»Ich habe schon einmal einen Schlangenmenschen gesehen.« Kurz erzählte er die Geschichte der Belagerung von Armengar, als Murmandamus gegen das Königreich in den Krieg gezogen war.
»Und wieder bin ich versucht, einen Gast der Lüge zu bezichtigen«, sagte Vaslaw.
Amos grinste, doch in diesem Grinsen lag keine Wärme.
»Widersteht der Versuchung, mein Freund. Ich spinne gern einmal ein wenig Seemannsgarn, doch hierauf gebe ich Euch mein Wort: es stimmt. Und niemand hat je erlebt, daß ich mein Wort breche.«
Nicholas sagte: »Ich kenne mich mit Euren Sitten nicht gut aus, wie Ihr bemerkt haben werdet. Aber könnte es nicht sein, daß der Schlangenclan den Einflüssen der Pantathianer in alten Zeiten erlegen ist, weil sie das gleiche Totem haben?«
»Kein Lebender weiß um die Greuel, die die Vernichtung des Schlangenclans herbeigeführt haben, Nicholas. Dieses dunkle Geheimnis starb mit den Oberhäuptern der Clans, die die Schlangen ausgelöscht haben.«
Nicholas fragte: »Doch egal, wie schrecklich ihre Taten waren, es kann etwas mit den Pantathianern zu tun gehabt haben, richtig?«
Der alte Mann wirkte niedergeschlagen. »Aber wenn die Schlangenmenschen die Wurzel unserer heutigen Probleme sind, wie können wir uns dann wehren? Sie sind Hirngespinste, die nie jemand zu Gesicht bekommen hat. Sollen wir in alle Richtungen aufbrechen und sie suchen?«
»Wir haben eine gewisse Hoffnung«, meinte Amos.
»Inwiefern?« fragte Regin.
»Weil ich gesehen habe, wie ein Pantathianer starb.«
Nicholas sagte: »Sie sind sterbliche Wesen. Ich weiß bis jetzt noch nicht, welchen Plan sie verfolgen, und der eigentliche Zweck meines Aufenthaltes ist, daß ich die Entführten finden und in meine Heimat zurückbringen muß. Doch ich denke, wenn ich das tue, werden die Pantathianer sich mir zeigen.«
Vaslaw fragte: »Und was wollt Ihr vom Löwenclan?«
»Im Augenblick nichts anderes als Frieden«, sagte Nicholas. »Ich würde es gern sehen, wenn Ihr Euch an denen rächt, die für den Tod Eurer Leute verantwortlich sind. Das würde auch meinen Zwecken dienen, da bin ich sicher. Und vielleicht brauche ich Eure Hilfe.«
»Wenn wir helfen können, werden wir das tun«, sagte der alte Mann. »Jedes Oberhaupt
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