Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
in einer Sprache, die Nicholas nicht kannte. Die Frau riß ihre grünen Augen ebenfalls auf und sah Pug mit einem Gesichtsausdruck an, den Nicholas nur als erschreckt deuten konnte. Irgendwie hatte der kleine Mann sie verängstigt.
Pug legte den Finger an die Lippen, und Nakor blickte Ghuda und Nicholas an. Mit verlegenem Lachen sagte er: »Tut mir leid.«
Nicholas blickte zu Ghuda, und der sagte: »Ich habe nichts gesagt.«
Pug meinte: »Amos und Harry werden sicherlich auch bald hier sein. Wir können ins Speisezimmer gehen.«
Das Speisezimmer war ein riesiger Raum auf der vom Gästetrakt abgelegenen Seite des Hauptgebäudes. In der Mitte stand ein niedriger, quadratischer Tisch mit Polstern an allen Seiten. Gerade als Amos und Harry eintraten, sagte Pug: »Ich ziehe es vor, wie die Tsurani zu essen; ich hoffe, das macht euch nichts aus.«
Amos sagte: »Solange das Essen gut ist, würde ich zur Not auch stehen.« Dann entdeckte er Ryana und blieb stehen. Pug stellte sie einander vor.
Harry konnte seine Augen kaum von der Frau lösen, und er stolperte fast über die Polster, als er sich Nicholas an die Seite gesellte. Er setzte sich neben den Prinzen und flüsterte: »Wer ist das?«
Nicholas antwortete leise: »Eine Zauberin, eine Schülerin von Pug. Und flüstere nicht, das ist unhöflich.«
Harry errötete und schwieg, während die beiden seltsamen schwarzen Männer eintraten und Platten mit Essen hereinbrachten.
Rasch stellten sie vor jeden Gast einen Teller, verschwanden und kehrten Augenblicke später mit Weinbechern zurück.
Als das Essen serviert war, sagte Pug: »Ich bin es kaum mehr gewöhnt, Gäste zu bewirten, falls also etwas fehlt, seht es mir bitte nach.«
Amos sprach allen aus der Seele: »Wir sind ohne Vorwarnung angelandet, also müssen wir uns dafür bedanken, was Ihr uns alles angeboten habt.«
Pug sagte: »Ihr seid sehr freundlich, Admiral.«
Nicholas meinte: »Ich dachte, Vater hätte eine Möglichkeit, dich zu erreichen.«
Pug erwiderte: »Nur in Notfällen. Er hat diese Möglichkeit noch nie ausschöpfen müssen. Seit ich gegangen bin, herrscht Frieden im Königreich.«
Das Gespräch drehte sich bald nur noch um den neuesten Klatsch vom Hof und andere Nebensächlichkeiten. Nakor war ungewöhnlich still, und das gleiche galt für Lady Ryana. Pug war ein geselliger Gastgeber, und er bezog die Jungen unauffällig mit ins Gespräch ein.
Sowohl Nicholas als auch Harry hatten, seit sie alt genug gewesen waren, um bei ihren Eltern zu Tisch zu sitzen, wie die meisten adligen Kinder Wein zum Essen getrunken, nur meistens mit Wasser verdünnten. Heute abend bekamen sie einen vollmundigen Rotwein aus Kesh, und nach zwei Gläsern waren die beiden Jungen in so ausgelassener Stimmung, daß sie sogar über die zwei Geschichten lauthals lachten, die Amos ihnen schon oft erzählt hatte.
Als Amos seine dritte Geschichte beginnen wollte, sagte Pug: »Wenn Ihr mich bitte entschuldigt. Nakor, ich hätte gern ein Wort mit Euch unter vier Augen gesprochen.«
Der kleine Isalani sprang von seinem Platz auf und eilte zu der Tür, auf die Pug gezeigt hatte. Sie betraten einen weiteren der vielen Gärten des Anwesens, und Pug begann: »Man hat mir erzählt, dieser Besuch wäre Euer Einfall gewesen.«
Nakor sagte: »Ich hätte nie erwartet …«
Pug sagte: »Woher wißt Ihr es?«
Der Isalani zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich weiß es eben.«
Pug blieb neben einer niedrigen Bank stehen und fragte: »Wer seid Ihr?«
Nakor setzte sich auf die Bank und zog die Beine an. »Ein Mann. Ich weiß manche Dinge. Ich mache Tricks.«
Pug betrachtete ihn eine ganze Weile schweigend. Er setzte sich auf die Kante eines Wasserbeckens und sagte schließlich: »Ryanas Volk vertraut mir endlich. Sie ist die Tochter von jemand, den ich vor zwanzig Jahren kennengelernt habe. Sie und ihre Verwandten sind die letzten ihrer Art, und die meisten Menschen halten sie für eine Legende.«
»Ich habe mal einen gesehen«, sagte der unerschrockene kleine Mann. »Ich war auf der Straße von Toowomba nach Injune unterwegs, hinauf in die Berge. Bei Sonnenuntergang sah ich einen in der Ferne, wie er auf einer Bergspitze saß. Ich fragte mich, warum er dort allein saß, doch dann dachte ich mir, er könnte sich genausogut fragen, warum ich allein dort war, es hing nur davon ab, von welcher Seite man die Sache betrachtete, und deshalb beschloß ich, ihn nicht zu stören. Aber ich habe ihn eine Weile beobachtet. Er war
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