Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
vertraulichere Du ersetzte: »Dieses Arbeitszimmer hat während des Spaltkrieges einige Zeit deinem Vater gehört, Nicholas. Und davor deinem Großvater.«
Nicholas bemerkte, daß außer dem Wappen keine persönlichen Erinnerungsstücke oder Trophäen an der Wand hingen, sondern nur eine große Karte des Herzogtums und eine zweite des Königreichs.
Ansonsten zierte nichts den kahlen Stein. Martins Schreibtisch war aufgeräumt, und abgesehen von einem einfachen Tintenfaß mit Feder, einer Stange Siegelwachs und einer Kerze deuteten nur zwei aufgerollte Pergamente auf Arbeit hin. Diese Ordnung kannte Nicholas von seinem Vater.
Der Junge wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Onkel zu, der ihn eingehend beobachtet hatte. Nicholas errötete.
Martin lächelte. »Von hier stammt unsere Familie, Nicholas, vergiß das nicht.«
Nicholas zuckte mit den Schultern. »Vater hat mir viel von Crydee erzählt, und Amos findet mit seinen Geschichten nie ein Ende, doch …« Er sah sich abermals um. »Ich weiß nicht, was ich erwartet habe.«
»Deswegen bist du ja hier. Arutha meinte, du solltest etwas über dein Erbe erfahren. Nach den Maßstäben von Krondor geht es bei uns weniger fein zu«, fuhr er fort. »Und den Maßstäben von Rillanon nach geradezu einfach. Doch in den Dingen, auf die es ankommt, wird es dir gefallen.«
Nicholas nickte. »Und was genau soll ich hier machen?«
Martin sagte: »Das hat Arutha mir überlassen. Ich denke, ich werde dich zunächst einmal zu meinem Junker ernennen. Du bist zwar schon fast zu alt für diese Stellung, doch auf diese Weise kannst du zunächst immer in meiner Nähe bleiben, bis ich etwas gefunden habe, wo ich dich besser gebrauchen kann. Deinen Freund teile ich Marcus zu.«
Nicholas wollte widersprechen, doch Martin sagte: »Junker haben keine Junker, Nicholas.« Nicholas nickte.
»Heute abend werden wir einen Empfang geben, zu dem auch eine Truppe Schauspieler kommt, die in der Stadt ist. Und morgen wirst du mit der Arbeit beginnen.«
»Und worin wird die bestehen?«
»Haushofmeister Samuel wird Aufgaben für dich haben, und desgleichen Schwertmeister Charles und Pferdemeister Faxon. Du wirst jeden Tag einiges zu erledigen haben, und vor allem wirst du mir bei den Regierungsgeschäften des Herzogtums helfen. Vielleicht hast du die neuen Häuser auf der Südklippe und dahinter gesehen.
Crydee ist auf dem Wege, der Mittelpunkt der Fernen Küste zu werden. Es gibt viel zu tun. Und jetzt wird dir ein Diener deine Zimmer zeigen.«
»Danke, Onkel Martin.« Nicholas erhob sich, und Martin ging um den Tisch herum, öffnete die Tür und winkte einen Diener herbei.
»Ab Morgen, Euer Hoheit, wirst du mich mit ›Euer Gnaden‹ anreden, und ich dich mit ›Junker‹.«
Nicholas errötete und war verlegen, wußte jedoch nicht weshalb.
Er nickte und folgte dem Diener zu seinem Zimmer.
An diesem Abend saß Nicholas zwischen seinem Onkel und seinem Cousin Marcus. Das Essen war herzhaft und einfach, der Wein stark und wohlschmeckend, und die Unterhaltung war entsprechend. Nicholas sah den größten Teil des Abends an Onkel und Tante vorbei zu Abigail und Margaret. Die beiden Mädchen steckten die ganze Zeit die Köpfe zusammen, und manchmal errötete Nicholas, ohne daß er einen Grund dafür gewußt hätte. Einige Male versuchte er ein Gespräch mit Marcus anzufangen, bekam jedoch nur knappe Antworten und erntete überwiegend Schweigen. Nicholas beschlich das Gefühl, sein Cousin mochte ihn nicht.
Amos, Nakor und Ghuda Bulé saßen am entgegengesetzten Ende der Tafel, also konnte sich Nicholas mit ihnen nicht unterhalten. Sie hatten offensichtlich zusammen mit Schwertmeister Charles und Pferdemeister Faxon viel Spaß.
Harry versuchte, einen jungen Mann in ein Gespräch zu verwickeln. Der Mann sprach leise, deshalb mußte sich Harry ständig zu ihm vorbeugen. Er war kaum älter als die Jungen, so um die zwanzig. Sein blondes Haar hing bis auf die Schultern, und sein Pony war so lang, daß er kaum etwas sehen konnte, weshalb er sich ständig die Haare zurückstrich. Der junge Mann hatte blaue Augen, und falls er jemals lächeln würde, würde man ihn vielleicht sogar mögen können, dachte Nicholas.
»Cousin, wer ist das?«
»Das ist Anthony. Er ist Magier.«
»Wirklich?« fragte Nicholas, zufrieden, daß er endlich mehr als einen Satz aus seinen Cousin herausgeholt hatte. »Was macht er hier?«
»Mein Vater hat deinen Vater gebeten, in Stardock nachzufragen, ob sie uns einen
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