Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
Nicholas.
Martin wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Prinzen zu.
»Euer Hoheit. Darf ich Euch meine Gemahlin, die Herzogin Briana vorstellen.« Nicholas hatte sie zum letzten Mal gesehen, als er noch ein Kleinkind gewesen war, und er erinnerte sich nur sehr vage an sie. Die große Frau neigte den Kopf vor Nicholas. Ihr graues Haar war an den linken Schläfe mit weißen Strähnen durchzogen. Die Herzogin war keine Schönheit, nichtsdestotrotz jedoch atemberaubend. Um ihre blauen Augen hatten Wetter und Alter Falten hinterlassen, ansonsten fanden sich in ihrem Gesicht kaum Zeichen ihrer Jahre, obwohl sie die Fünfzig schon überschritten hatte. Sie trug eine Lederweste über einem Seidenhemd und eine Hose, die in hohen Stiefel endete. »Meine Dame«, sagte Nicholas, nahm die Hand, die sie ihm reichte und drückte sie leicht zum Gruß.
Sie hingegen drückte richtig zu, und in diesem Moment wußte Nicholas, daß die Geschichten, die man sich über die eigentümliche Frau seines Onkels erzählte, zum größten Teil wahr sein mußten. Sie stammte aus der zerstörten Stadt Armengar – wo Frauen wie Männer Soldaten wurden – und konnte den Berichten nach besser als ein Mann reiten, jagen und fischen. Und als er sie jetzt vor Augen hatte, zweifelte Nicholas nicht daran.
Martin stellte die anderen vor. »Dies ist mein Sohn Marcus.«
Nicholas wandte sich seinem Cousin zu und zögerte; etwas an ihm war seltsam vertraut. Braune Augen und braune Haare: Nicholas glaubte, er ähnelte jemandem aus Krondor. Marcus war in etwa so groß wie Nicholas und trug sein Haar genauso lang wie der Prinz.
Aber er war fast zwei Jahre älter und ein wenig kräftiger gebaut. Der junge Mann verbeugte sich steif und trat zurück.
Nicholas sagte: »Cousin«, und nickte.
Amos stellte sich hinter Nicholas und meinte zu Martin: »Kannst du dich noch daran erinnern, als du zum ersten Mal ahntest, du seiest Aruthas Bruder?«
Martin erwiderte: »Wie könnte ich das vergessen? Es war meine erste Reise, du hättest uns beinahe alle ersäuft.«
»Ich habe eure wertlose Haut mit meiner meisterhaften Segelkunst gerettet, wolltest du sagen.« Amos deutete auf Nicholas und Marcus und sagte: »Aber wenn die Welt jemals einen Beweis braucht, daß ihr den gleichen Vater habt, dann haben wir den direkt vor uns.« Er strich sich übers Kinn. »Ich denke, wir müssen sie mit Farben kennzeichnen, damit wir sie auseinanderhalten können.«
Nicholas sah Amos verwirrt an, Marcus’ Miene hingegen war verschlossen. Amos sagte: »Die Ähnlichkeit.«
Nicholas fragte: »Welche Ähnlichkeit?«
»Zwischen euch beiden«, antwortete der Admiral.
Nicholas betrachtete seinen Cousin. »Meinst du etwa …?«
Marcus schüttelte leicht den Kopf. »Ich verstehe nicht … Hoheit.«
Amos lachte. »Wirst du auch nie.«
Martin stellte das nächste Mitglied seiner Familie vor. »Hoheit, das ist meine Tochter Margaret.«
Eins der beiden Mädchen machte einen Knicks. Sie hatte dunkles Haar wie ihr Bruder, doch sie ähnelte eher ihrer Mutter. Die Natur hatte ihr eine gerade Nase und hohe Wangenknochen geschenkt, die jedoch weniger streng als die der Herzogin wirkten. Und wie ihre Mutter trug auch sie die Haare lang bis auf die Schultern. Aus dunklen Augen sah Margaret den Prinzen an, und er sagte: »Es ist mir ein Vergnügen, Cousine.« Sie lächelte bei diesem Gruß und erschien augenblicklich wunderschön.
Nicholas’ Blick wanderte zu der jungen Frau an Margarets Seite und traf auf kornblumenblaue Augen, die größten, die er je gesehen hatte. Es schnürte ihm die Brust zu, und plötzlich fühlte er sich linkisch und unsicher. Margaret sagte: »Das ist meine Begleiterin Lady Abigail, die Tochter des Barons Bellamy von Carse.« Das schlanke Mädchen machte einen Knicks, und Nicholas war sich sicher, er hatte noch nie einen so eleganten gesehen. Anders als Margaret hatte Abigail die blonden Haar zu einem Knoten hochgesteckt. Sie hatte helle Haut und feine Gesichtszüge. Als sie sich wieder aufrichtete, lächelte sie, und Nicholas konnte nicht anders, er mußte zurücklächeln.
Ein Räuspern hinter sich riß Nicholas aus seinen Träumereien. Er sagte: »Meine Dame«, und seine Stimme klang seltsam fremd in seinen Ohren. Nicholas wandte sich an Martin: »Das ist Harry, mein Junker.« Der Genannte kam gerade an Land und trug Nicholas’ und seine eigene Reisetasche. Der Junge stellte sie ab und verbeugte sich vor dem Herzog von Crydee. Als er dessen Tochter und ihre
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