Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
nicht.« Und grinsend setzte er hinzu: »Aber ich kann es herausfinden.«
Nicholas sagte: »Nein, mach gar nichts. Wenn du dumme Fragen stellst, wird sie es mitbekommen.«
»Ha! Du hast Angst, sie merkt, daß du sie magst!« Harry lachte, zu Nicholas’ Unbehagen. »Mach dir darum keine Sorgen, mein Freund.«
Nicholas stöhnte. »Glaubst du?«
Harry meinte: »Ich bin mir sicher. Du siehst so aus, als wolltest du jedes Mal in Ohnmacht fallen, wenn sie dich anguckt. Und was glaubst du, woher Marcus es wußte? Und der ist nicht gerade begeistert.«
»Er ist ziemlich kühl«, sagte Nicholas halb bewundernd und halb abwertend.
Harry nickte. »Ihr zwei seid euch sehr ähnlich, doch er kann seine Gefühle besser verbergen.«
Nicholas sagte: »Alle meinen, wir wären uns so ähnlich, aber ich kann diese Ähnlichkeit einfach nicht erkennen.«
Harry erhob sich. »Also halt den Fuß schön naß. Heute abend bringe ich dir etwas aus der Küche.«
»Wo willst du hin?«
»Ich gehe in den Garten und suche Abigail.«
»Nicht auch noch du!« stöhnte Nicholas.
Harry winkte ab. »Nein, nein, ich finde Margaret viel besser.«
»Warum?« fragte Nicholas.
»Aus einem Grund: Cousins und Cousinen der königlichen Familie heiraten nicht untereinander, und Marcus ist ihr Bruder. Außerdem liebe ich sie.«
Nicholas zog die Augenbrauen hoch.
»Nein, ich meine es ernst. Beim Gedanken an sie bekomme ich ein flaues Gefühl im Magen.« Ohne ein weiteres Wort ließ er Nicholas allein.
Nicholas lachte, doch ihm verging die Heiterkeit, als er verstand, was Harry als letztes gesagt hatte. Beim Gedanken an Abigail bekam nämlich Nicholas ein flaues Gefühl im Magen.
Unterweisung
Nicholas wimmerte.
Den ganzen gestrigen Tag hatte er gelegen, und obwohl sein Fuß noch schmerzte, konnte er heute wieder gehen. Deshalb stand er vor Sonnenaufgang auf und nahm seinen Posten vor der Tür des Herzogs ein.
Marcus’ Tür ging auf, der Junge trat auf den Gang und machte Harry ein Zeichen, er solle folgen. Einen Augenblick später öffnete sich Martins Tür, und Briana und Martin traten heraus. Die Herzogin fragte: »Wie geht es Eurem Fuß, Nicholas?«
Ihm gelang ein schiefes Lächeln. »Ich lebe noch. Es ist noch nicht ganz verheilt, meine Dame, aber ich komme damit zurecht.«
Martin sagte: »So etwas passiert nun einmal. Ihr werdet allerdings heute nicht sehr viel herumlaufen können, deshalb geht zu Haushofmeister Samuel und fragt ihn, ob er eine Aufgabe für Euch hat.«
Nicholas sagte: »Euer Gnaden«, und humpelte davon.
Während er durch die Gänge zum Dienstbotentrakt unterwegs war, wo Samuel sein Arbeitszimmer hatte, war er von sich selbst angewidert. Das Spiel am Sechstag war ein Debakel gewesen.
Gestern hatte er den ganzen Tag darüber gebrütet, wie sehr er sich zum Narren gemacht hatte.
In den Jahren in Krondor hatte Nicholas viele Situationen durchstehen müssen, aus denen er sich lieber zurückgezogen hätte, doch das Protokoll erlaubte es nicht, bei einem Fest auf dem Balkon oder beim Hofhalten seines Vaters zu fehlen. Meistens überließ Nicholas lieber anderen, wie Harry, die Führung. Beim Fußball hatte sich Nicholas einen guten Ruf als Verteidiger gemacht, der dem Gegner geschickt den Ball abnehmen und weiterspielen konnte, doch beim Toreschießen überließ er anderen den Ruhm. Vor zwei Tagen hatte er sich zum ersten Mal nach vorn gedrängt, hatte sich allen angeboten und versucht, sich allein mit dem stärkeren Willen durchzusetzen. Und bei jedem Schritt hatte Marcus ihn bewacht.
Er hatte Marcus genauso oft aufgehalten wie dieser ihn, doch das gab ihm nur wenig Befriedigung, denn das Spiel war mehr oder weniger unentschieden ausgegangen, wenn man von der Verletzung absah, derentwegen Marcus schließlich ein Tor hatte schießen können.
Während er nun behutsam die Treppe hinunterstieg, war sich Nicholas seiner Mißbildung bewußter als sonst. Wie die meisten Menschen, die mit einer solchen Behinderung geboren worden waren, hatte er sich ohne viele Gedanken damit abgefunden. Da er der Sohn von Arutha war, mußte er nicht, wie viele andere Kinder von niedrigerem Rang, den Spott von anderen ertragen, doch oft genug hatte er die neugierigen Blicke gesehen und das heimliche Geflüster gehört. Aber heute empfand er seinen Fuß zum ersten Mal als wirkliche Behinderung. Wäre sein Fuß gesund, wäre er sicherlich besser als Marcus gewesen. Er fluchte leise, war auf jedermann sauer und am meisten auf sich selbst.
Er
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