Midleifcrisis
klein.«
Elke mochte den Cowboy offenbar gut leiden, denn sie legte mir die Hand auf den Unterarm und dirigierte mich sachte zur Tür, damit wir uns besser unterhalten konnten. Der Cowboy witterte die Gelegenheit und der Kleine mochte Elkes Lächeln.
»Öde hier«, sagte ich. »Lass uns mal irgendwohin abhauen.«
Wir gingen essen und später tanzen, und ich bewunderte ihre Art, sich zur Musik der Neuen Deutschen Welle zu bewegen. Es gibt Frauen, deren Hüften dir schamlos die Frage »Ficken?« zuraunen, es gibt unrhythmisch auf und ab zuckende Frauen, bei denen du hoffst, niemals mit ihnen ins Bett gehen zu müssen, es sei denn, sie sehen unfassbar gut aus, und selbst dann sind sie meist Enttäuschungen. Es gibt Frauen, die ununterbrochen lachen und Faxen auf der Tanzfläche machen, und das waren mir bisher die liebsten, denn an die kommst du am leichtesten ran. Und dann gibt es Frauen, deren Seele du lächeln siehst, während sie zur Musik in sich selbst versinken, und denen siehst du zu, während um dich die Welt verschwindet, und du traust dich im Leben nicht, sie anzusprechen, und wenn sie gegangen sind, irgendwann, damit du sie nie wiedersiehst, hinterlassen sie ein kleines, trauriges Loch in deinem Leben, und so eine war Elke.
Viel später, die strenge Null-Uhr-Ausgangssperre war seit vier Stunden abgelaufen, bot ich Elke an, sie an den Rhein zu fahren, um den Sonnenaufgang zu beobachten. »Das war schön, mal wieder zu tanzen«, sagte sie mit um die Knie geschlungenen Armen. Die Sommernachtsluft war lau, aber ich bekam nicht einen einzigen lausigen Kuss, sondern Hochachtung vor ihrer Tugendhaftigkeit. Sobald ich auf das Thema Liebe, Sex oder Partnerschaft kam, wich sie geschmeidig aus, stattdessen musste ich alles ganz genau erzählen: Familie, das gerade begonnene Jurastudium, Basketball, die Zukunftspläne – aber wer tut das nicht gern als junger Mann, wenn neben ihm auf den Steinen die erste Göttin seines Lebens ruht und auf der Ostseite des Rheins die Sonne hinter den Bäumen aufgeht. Erst als ich fragte, wie denn ihr Freund so wäre, sie hätte doch bestimmt einen, sagte sie nachdenklich: »Ach, das ist fast vorbei.« Damals entzückte mich das, heute weiß ich, dass Frauen, die während des Rennens achselzuckend die Pferde wechseln, auch dich eines Tages austauschen werden.
Zum Frühstück waren wir wieder in der Sporthalle, ich bekam den Anschiss meines Lebens neben der Androhung, mich für alle Zeiten aus dem Kader zu streichen, mir den Golf abzunehmen und mich aus dem Verein zu werfen, aber zum Abschied lächelte Elke mir zu, dass mir taumelig wurde, und während mein Team unter Aufsicht des Co-Trainers das Aufwärmprogramm fürs Halbfinale begann, ließ ich mich vom Trainer in den Kraftraum schleifen, um dort Gewichte zu stemmen, bis ich die Drinks der schlaflosen Nacht erbrach.
Doch all das machte mir nichts, denn meine Seele war gerade ganz woanders, und viel, viel später, als ich längst Mannschaftskapitän unserer Bundesligatruppe war, erzählte mir der Trainer, dass dies der Tag gewesen war, an dem ich einen Stammplatz in seinem Herzen erobert hatte. »Saufen«, sagte er mir beim Bier, »ist das eine, das machen alle jungen Hunde. Straftraining bis zum Kotzen ist das andere. Aber wer in sein Handtuch kotzt und mich dann lächelnd fragt: ›Wo machen wir weiter, Trainer?‹, der hat das Killergen, und so einer warst du, und solche muss man sich suchen, wenn man Erfolg haben will. Wirst es weit bringen, Junge, egal, was du nach dem Basketball anfasst.«
SMS gab es damals nicht, nicht mal Handys, das Internet war noch nicht erfunden und E-Mails lagen fern in der ungewissen Zukunft, aber Elke in Münster anzurufen, das traute ich mich nicht.
Als Elke nach dem Finale, das ich zur Strafe auf der Ersatzbank verbrachte, in ihren Teambus kletterte, hatte ich einen scheuen Kuss auf die Wange bekommen, eine Adresse und die Telefonnummer ihrer Eltern. Aber ob Elke auch nur im Mindesten an mir interessiert war, davon hatte ich keine Ahnung. Am Montag ließ ich die Uni sausen und schickte ihr Rosen, bevor ich an die Elke-Stelle des Rheinufers fuhr und von ihrem Lächeln träumte. Am Dienstag schrieb ich ihr einen langen Brief nach Münster, es war eine unbeholfene Liebeserklärung, er liegt noch heute, Jahre nach unserer Trennung, in Elkes Nachttisch, und wenigstens das ist ein schöner Gedanke.
Am Mittwoch steckte ich zwei Karten fürs Nena-Konzert an diesem Wochenende in Köln in einen
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