Midleifcrisis
Überzeugung, eine Freundin fürs Leben gefunden zu haben.
Noch Jahre später erstaunt es mich, Elke in Gesellschaft zu sehen. Sie legt den Frauen eine Hand auf den Unterarm, bewundert ihre neuen Kleider, lässt sich Kochrezepte geben, die sie niemals ausprobieren wird, erkennt jede minimale Änderung an jeder Frisur, bewundert, ohne zu schmeicheln, und sammelt Telefonnummern, Namen und Geburtstage, um später niemals einen zu vergessen. Den Männern schenkt sie Augenaufschläge ohne jede Koketterie, sie verteilt Aufmerksamkeit und kostenlose Anlagetipps, die fast ausnahmslos funktionieren, und lässt sich im Gegenzug mit staunenden Augen die Welt erklären, von der sie in aller Regel viel mehr versteht als der stolze Gesprächspartner.
Elke ist ein Phänomen, eine Seelensammlerin, besonders verblüffend ist ihre Eigenart, gerade diejenigen, die sie verabscheut, mit besonders freundlichen Gesten zu umhüllen, und ich glaube, niemand, der ihr unsympathisch ist, hat bis zu seinem Tod davon auch nur eine leise Ahnung. Was tatsächlich in Elke vorgeht, wird niemand je zur Gänze verstehen, vor allem ich nicht, aber das dämmert mir erst spät, in der Zeit, als unsere Liebe zerbricht und wir uns zum Aufbruch rüsten in unser erfolgreiches, leeres Leben.
Acht Jahre zuvor hatte ich mich in Elke verliebt. Es war bei einem Basketballturnier zum Saisonausklang. Sie war 20, eine umwerfend hübsche Zweitligaspielerin aus Münster, groß, schlank, tolle Beine, fantastischer Mund, aber in der Sporthalle war sie mir nicht aufgefallen, denn irgendwie gibt’s beim Basketball so unendlich viele aufregende Hintern und wippende Pferdeschwänze zu begutachten, dass man schon Buch führen müsste, um den Überblick zu behalten.
Ich selbst hatte das Bonner Jugendinternat abgeschlossen, meinen Wehrdienst in der Sportkompanie absolviert und war gerade in den Bundesligakader berufen worden. Mein nagelneuer, vom Verein geleaster Golf roch noch frisch nach Leder, und in Bonn gab es außer uns und der Bundesregierung nichts recht Erwähnenswertes, sodass wir großen, gut gebauten Kerle uns, wo immer wir auftauchten, der ungeteilten Aufmerksamkeit der Mädchen gewiss sein konnten. In einem Klima rauer Männerkumpanei, in dem die Anzahl der Eroberungen fast so viel zählte wie die am Wochenende geworfenen Körbe, hatte ich gelernt, wie man Mädchen für eine Nacht klarmacht. Um das beängstigende Thema Liebe hatte ich allerdings einen großen Bogen gemacht.
Ich entdeckte Elke auf der abendlichen Players-Night, sie nuckelte an ihrer Limo und lauschte den Erzählungen eines Kerls, von dem ich nur den Rücken sah. Weil ich meinem Freund und Mitspieler Robert imponieren wollte, der Elke ebenfalls voller Wohlgefallen musterte, schritt ich mit meinem frisch zugelegten Superstarlächeln auf sie zu, tippte dem Typen neben ihr freundlich auf die Schulter und sagte: »Entschuldigst du uns einen Moment? Wir haben was zu bereden.«
Dann lächelte ich Elke an und sagte: »Da bist du ja«, ergriff ihre Hand und zog sie in die nächste ruhige Ecke. Elke wirkte eindeutig amüsiert. »Kennen wir uns?«, fragte sie mit hochgezogener Augenbraue, und bis heute ist diese halb lächelnde, halb fragende Miene mein Lieblings-Elke-Gesicht. »Bis jetzt noch nicht«, antwortete ich, »aber das wird sich ändern.« Elke lachte, es war nicht ihr reizendes Elke-Lachen der späteren Jahre, sondern das schallende, fröhliche, ansteckende Lachen eines kleinen Mädchens, das im Zirkus den Clown entdeckt hat. Erschreckt von ihrer eigenen Heiterkeit, bedeckte sie ihren Mund mit der rechten Hand, und das war der Moment, als der kleine Junge in mir Herzklopfen bekam.
»Bonn, oder?«, fragte sie, »Ich hab bei euch zugeguckt. Ihr wart gut, richtig gut.«
Ich überließ dem Cowboy die Zügel, und er erwiderte in aller ihm eigenen Bescheidenheit: »Ja, aber nicht in die Play-offs gekommen, und der Bundestrainer hat auch schon lange nicht mehr angerufen.«
Doch, doch, das sind Dinge, die er schon immer prima beherrschte, der Cowboy. Tatsachen gerade so weit verdrehen, dass sie nicht gelogen klingen, aber mich dennoch in allerbestem Licht erstrahlen lassen. Der einzige Bundestrainer, an den ich in meiner jungen Karriere jemals auf Rufweite herangekommen war, war der aus der Juniorennationalmannschaft gewesen, und der hatte mich nach nur einem Sichtungslehrgang aus dem erweiterten Kader gestrichen. »Kämpfernatur«, sagte er, »nicht untalentiert. Aber für ganz oben bist du zu
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