Midleifcrisis
lehrt den jungen Leif viele Dinge. Dass man sich durchbluffen muss, wenn man keine Ahnung hat, denn dann kann man trotzdem gewinnen, auch wenn man dünn und schlaksig ist. Dass man beim Basketball mit Ellenbogen spielen muss, damit einem die anderen ihre Ellenbogen nicht auf die Nase schlagen. Dass man nie, wirklich niemals zeigen darf, dass man Angst hat, denn dann geht es einem erst recht schlecht.
Nur bei der Sache mit den Mädchen, da ist der Cowboy noch nicht der Cowboy der späteren Jahre, vielleicht weiß er selbst noch nicht so viel darüber, und so bleibt Leif Jungfrau, bis er mit 16 in die erste Herrenmannschaft aufsteigt, denn die genießt in dem kleinen Städtchen in Schleswig-Holstein großen Ruhm. In dessen Nachhall beginnen sich die ersten Mädchen für den dünnen, langen Schlaks zu interessieren, der wieselflink ist und dem der Ball gehorcht, als ob dieser mit einem unsichtbaren Band mit seinen Händen verbunden wäre.
Leif und der Cowboy verlieren ihre Unschuld bei der Weihnachtsfeier der Basketballabteilung, als ihn Kathrin, eine Krankenschwester von 23 Jahren, sanft in den Geräteraum der Turnhalle zieht, wo Leif ein ausgesprochen peinliches Erlebnis hat, denn Kathrin bekommt beim Sex ihre Tage, und die ganze Bescherung landet auf Leifs weißer Trainingshose, sodass er sich eingewickelt in eine Vereinsfahne aus der Halle schleichen und zu Hause seine Hose in den Müll werfen muss. Dort wird sie prompt von Mama Andersson gefunden, was lange, vom Valium eingetrübte Monologe zur Folge hat, deren düsterer Inhalt lautet, dass man sich in Acht nehmen müsse bei der Liebe, denn die Sachen, die Männer mit Frauen und Frauen mit Männern machten, seien böse und könnten Menschen sehr unglücklich machen. Auch Holger sei nur gestorben, weil er unterwegs gewesen sei, um sich mit einem liederlichen Mädchen abzugeben, er hätte einfach zu viele schlechte Charaktermerkmale seines zügellosen Vaters geerbt, und mit Zügellosigkeit hätte alles Unglück im Hause Andersson angefangen.
Doch alles in allem übersteht Leif seine Jugend weitgehend unbeschadet, und das ist vor allem der Verdienst des Cowboys. Als bester Jung-basketballer Schleswig-Holsteins bekommt er bald Angebote von den großen Clubs, er entscheidet sich für das Jugendinternat in Bonn, weil man dort Geld fürs Basketballspielen bekommt, später in die Sportkompanie der Bundeswehr einberufen wird und nebenher studieren kann und weil er eh nichts hat, was ihn zu Hause hält.
Leif verlässt das Haus seiner Jugend mit dem Abi und einem alten Baseballschläger in der Tasche. Er ist gerade 17 Jahre alt geworden und fühlt sich einsam, aber im Zug stößt der Cowboy grinsend die Abteiltür auf und befiehlt: »Nase putzen, Sachen nehmen, mitkommen!« Zwei Abteile weiter sitzt ein blondes Mädchen und blickt kurz zu Leif auf, als dieser zu ihr geschubst wird. »Merk’s dir, Kleiner«, sagt der Cowboy, »leben heißt Spaß haben. Und jetzt sag der Kleinen da erst mal Hallo …«
Elke
Wir sind wir. Und wir sind wer. Das Traumpaar. Die Vorzeigebeziehung. Die Leute, die es echt geschafft haben. Elke und Leif.
Elke, das ist ein Hammer von einer Frau. 28 Jahre, ein Jahr jünger als ich, Bankerin, attraktiv, charmant, fröhlich, einnehmend, eines dieser seltenen Wesen, denen auf Anhieb alle Herzen zufliegen. Dazu geselle ich mich, der Sportstar, der Überflieger. In unserem Freundeskreis sind wir die Ersten vor dem Standesamt, die Ersten mit eigenem Haus, mit zwei Autos, drei Urlauben im Jahr, Golfclubmitgliedschaft und etwas später den wundervollen Kindern und Heerscharen von Freunden, deren Herzen Elke mühelos gewinnt, während ich die Filetspieße auf dem Grill umdrehe und unsere Besucher mit Essen und Anekdoten aus meinem Leben unter Sportlern und wahnsinnigen Werbefürsten füttere.
Wir sind ein kleines Disneyland für befreundete Paare und Familiengründer, Eintritt und Getränke frei und jede Menge Spaß dazu, unsere Gartenpartys sind eine Art Seminar für alle, die auch mal so glücklich werden wollen wie wir, aber nicht wissen, wie es geht.
Wir wissen es auch nicht. Und dass wir es nicht wissen, davon habe zumindest ich keine Ahnung.
Elke gehört zu den Menschen, die einen Raum betreten und das kollektive Bedürfnis auslösen, ihr Freund zu werden, sie beherrscht die seltene Kunst, auf Männer attraktiv und auf Frauen nicht bedrohlich zu wirken, und wenn wir eine Party verlassen, sind alle, die mit ihr gesprochen haben, der festen
Weitere Kostenlose Bücher