Midnight Angel: Dunkle Bedrohung (German Edition)
gewohnt war, zu leben wie der Sonnenkönig, mitsamt den Millionen und den Groupies und der unumschränkten Macht in der glitzernden Musikwelt, dieser Kerl war also auf dem absteigenden Ast und sah sich schon als vergessene Größe. Das Musikgeschäft war brutal. Da schwammen viele Haie im Becken, die das Blut meilenweit rochen. Dieser Wichser hatte sich offenbar an Allegra dranhängen wollen, um sein Comeback zu schaffen. Doch sie kooperierte nicht und er flippte aus. Allegra mochte ihn für einen eitlen, weichen Typen halten, der nicht zu Gewalt neigte. Doch um in dieser Branche so weit aufzusteigen, musste man ein Herz aus Stahl haben.
Kowalski wusste, was sich abgespielt hatte – Allegra und ihr Vater waren bei Sanderson gewesen, um einen Vertrag aufzulösen, den dieser ganz klar als seine berufliche Rettungsleine ansah, und da war er ausgerastet.
In ihren Flashbacks sah Allegra den wahren Sanderson, der grausam und gewalttätig war. Sie zitterte vor Angst, wenn sie seine Stimme hörte. Ihr Körper wusste genau, wie gefährlich Sanderson war, nur ihr Verstand wusste das nicht mehr.
Aber Sanderson würde sie nie wieder anfassen, das war sicher.
»Gestern auf dem Lawrence Square glaubtest du auch, Sanderson zu hören, nicht wahr ?«
Allegra nickte. »Ja. Ich war mir so sicher … und trotzdem hast du niemanden gesehen, der so aussah wie er .«
Kowalski sagte nichts dazu. Die Wahrheit lag auf der Hand, glasklar und bleischwer. Er hatte Sanderson nicht gesehen, und auch niemanden, der ihm entfernt ähnelte, es sei denn, Sanderson wäre ein Meister der Verkleidung. Er bog in Allegras Straße ein.
»Wir sind da, Honey .« Kowalski brachte den SUV vor dem Haus zum Stehen. Jacko parkte auf der anderen Straßenseite. Er war schon ausgestiegen und hatte die Straße überquert, bis Kowalski die Fahrertür öffnete.
Guter Mann.
Zum ersten Mal war er froh, dass Allegra blind war. Bei Jackos Anblick wäre sie davongerannt. Er sah gemeingefährlich aus, wie ein Punker mit geschorenem Kopf, schäbigen Klamotten und Piercings. Wenigstens hatte er einen Parka über das zerrissene Sweatshirt gezogen, aber natürlich nicht, weil ihm sonst kalt gewesen wäre. Jacko fror nie. Er hatte ihn angezogen, um sein Schulterholster und dessen tödlichen Inhalt zu verdecken.
Kowalski half Allegra auf den Bürgersteig und drehte sie ein wenig herum. »Honey, das ist … « Plötzlich war sein Kopf wie leer gefegt. Wie hieß Jacko noch gleich? Es war ein völlig unpassender Name, so viel wusste er noch. Jacko hatte sich mal mit einem Marine geprügelt, der ihn mit vollem Namen angesprochen hatte.
»Morton « , sagte Jacko mit seiner tiefen Stimme und der schleppenden texanischen Aussprache. Er war weit herumgekommen, aber seine Kindheit hatte er in einem Trailerpark in Texas verbracht und war den Einschlag nie losgeworden. »Morton Jackman. Freut mich, Sie kennenzulernen, Ma’am .«
Allegra schaute verwirrt, streckte aber die Hand aus. Wenn sie jetzt sehen könnte, wie ihr zartes Händchen in Jackos Pranke mit den Stacheldrahttattoos und dem dicken Totenkopfring verschwand, dachte Kowalski. Jacko hielt sie nur für eine Sekunde, dann ließ er sie los.
»Freut mich ebenfalls, Mr Jackman .« Sie fror sichtlich. »Aber wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen würden, wir müssen ins Haus gehen .«
»Er kommt mit uns, Honey .« Kowalski griff ihr um die Taille und führte sie die Stufen hinauf und ins Haus. Jacko kam hinterher.
Wenn Jacko sich neugierig fragte, wieso Kowalski einen Hausschlüssel besaß, oder wenn er sich über Allegras Harfe im Wohnzimmer wunderte, so war es ihm nicht anzumerken. Er stand nur ruhig da und wartete auf Anweisungen. Guter Mann, dachte Kowalski wieder.
Er half Allegra aus dem Mantel und setzte sie auf die Couch, dann ließ er sich neben ihr nieder und nahm ihre Hand. »Hör mir zu, Honey. Ich werde für ein paar Stunden weg sein. Ich muss mich vergewissern, wo sich Sanderson aufhält .«
Sie zuckte zusammen.
»Mein Gott, Douglas !« , sagte sie gequält. »Sei vorsichtig !«
Von wegen nicht gewalttätig, dachte er. Da machte sich ihre verdrängte Erfahrung bemerkbar. Doch Sanderson war nicht halb so gefährlich wie Kowalski, der diesen kranken Wichser noch erledigen würde.
»Ganz sicher. Mach dir keine Sorgen. Ich kann auf mich aufpassen. Aber jetzt hör mir zu .« Sie konzentrierte sich. Ihre Hand lag entspannt in seiner. »Wenn du ihn heute Nachmittag gehört hast, muss das bedeuten, dass er die
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