Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
ihre Mutter. Sharon Alexander war Dylans Fels in der
Brandung, ihre einzige Vertraute und der einzige Mensch, auf den sie in jeder
Hinsicht zählen konnte. Sharon kannte Dylans Geheimnisse, all ihre Hoffnungen
und Träume. Sie kannte auch ihre Probleme und Ängste ... alle, außer einer.
Dylan versuchte immer noch, für Sharon tapfer zu sein. Sich nicht anmerken zu
lassen, wie hilflos sie sich fühlte, nachdem der Krebs zurückgekommen war.
Diese Angst wollte sie sich noch nicht eingestehen oder ihr größeren Raum
geben, indem sie sie laut aussprach.
„Scheiße“,
flüsterte Dylan irritiert, als ihre Augen zu brennen begannen, ein Zeichen,
dass ihr gleich die Tränen kommen würden.
Sie zwang
sie mit derselben stählernen Selbstbeherrschung nieder, die ihr schon fast ihr
ganzes Leben lang geholfen hatte. Dylan Alexander weinte nicht. Sie hatte nicht
mehr geweint, seit sie das verratene kleine Mädchen mit dem gebrochenen Herzen
gewesen war, das zugesehen hatte, wie ihr Vater in die Nacht davonraste.
Nein, es
hatte ihr noch nie gutgetan, sich in Selbstmitleid und Schmerz zu suhlen. Wut
war eine viel bessere Antriebskraft, um mit dem Leben klarzukommen. Und wo die
Wut allein nicht ausreichte, gab es nur wenige Dinge, die man nicht mit einer
gesunden Dosis Verdrängung in den Griff bekam.
Dylan wandte
sich vom Fenster ab und fuhr mit den nackten Füßen in ihre alten,
ausgelatschten Wanderschuhe. Weil sie es nicht für sicher hielt, den Laptop auf
dem Zimmer zu lassen, ließ sie ihn in ihre silberne Schultertasche gleiten,
schnappte sich ihren Geldbeutel und ging nach draußen, um Janet und die anderen
zu suchen. Etwas Gesellschaft und Geplauder wären jetzt vielleicht doch gar
nicht so schlecht.
Bei Einbruch
der Dunkelheit waren die meisten Menschen, die tagsüber durch die Wälder und
über die Bergpfade trampelten, fort. Jetzt, wo es draußen vor der Höhle ganz
dunkel geworden war, war weit und breit keine Seele mehr in der Nähe, um die
Explosion zu hören, die Rio im lichtlosen Felsgestein vorbereitete.
Er hatte
gerade genug Plastiksprengstoff, um den Höhleneingang für immer zu versiegeln,
aber nicht genug, um den ganzen verdammten Berg in die Luft zu jagen. Dafür
hatte Nikolai schon gesorgt, bevor der Orden Rio allein gelassen hatte, um den
Ort zu sichern. Dafür konnte man Gott danken, denn Rio traute seinem mürben
Hirn nicht mehr zu, sich an Mengenangaben zu erinnern.
Er stieß
einen satten Fluch aus, während er an einem der winzigen Kabel der Zündkapsel
herumfummelte. Sein Blick begann schon zu verschwimmen, was ihn nur noch mehr
verärgerte. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn und benetzten die überlangen
Haarsträhnen, die ihm in die Augen hingen. Mit einem Aufknurren fuhr er sich
mit der Hand über Gesicht und Kopf und starrte wütend auf die blassen Klumpen
Plastiksprengstoff vor ihm.
Hatte er
die Kabelenden schon in die Masse gesteckt?
Er
erinnerte sich nicht mehr ...
„Konzentrier
dich, Idiot“, schnauzte er sich an. Es machte ihn ungeduldig, dass etwas, das ihm
immer so leichtgefallen war - bevor ihm zu Hause in Boston diese Lagerhalle um
die Ohren geflogen war, war ihm alles leichtgefallen -, ihn nun Stunden
kostete.
Dazu kam
noch, dass sein Körper ohne seine lebenswichtige Nahrung, das Blut, geschwächt
war und nur noch im Schneckentempo funktionierte. Er war schlichtweg ein Wrack.
Unfähig und unnütz, das war alles, was er war.
Eine Woge
von Selbsthass trieb ihn an, als er seinen Finger in einen der
knetgummiähnlichen Blöcke Plastiksprengstoff bohrte und ihn aufriss.
Gut. Der
Auslöser war drin, genau wo er sein sollte.
Es tat
nichts zur Sache, dass er sich nicht daran erinnern konnte, ihn hineingetan zu
haben. So zerknetet, wie einer der anderen Klumpen aussah, musste er dieselbe
Übung schon mindestens einmal gemacht haben. Doch auch das war ihm jetzt egal.
Er hob den gesamten Sprengstoffvorrat auf und trug ihn zum engen Höhleneingang
hinüber.
Dort drückte
er die Masse in Klüfte und Vertiefungen im Sandstein, genau wie Niko ihn
angewiesen hatte. Dann ging er in den hinteren Teil der Höhle zurück, um die
Zündkapsel zu holen.
Verdammt!
Mit der
Verkabelung des verdammten Dings stimmte etwas nicht.
Er hatte
die Kabel beschädigt. Wie? Und wann?
„Verdammte
Scheiße!“, brüllte er und starrte auf das Gerät hinunter, wie benebelt von
einem plötzlichen, heftigen Wutanfall.
Ihm war
schwindelig vor Zorn. Um ihn drehte sich alles, so schnell, dass seine
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