Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
drucken. Oder nicht, Liebes?“
Dylan ließ
ein verächtliches kleines Schnauben hören. „Nun, da wir ständig mindestens eine
Entführung durch Außerirdische oder Augenzeugenberichte von Dämonenbesessenheit
auf der Titelseite haben, heißt das wohl, dass wir uns nicht von Fakten stören
lassen, wenn wir eine gute Story bringen wollen. Wir veröffentlichen
Unterhaltung, keinen seriösen Faktenjournalismus.“
„Deine Mutti
sagt, dass du eines Tages eine berühmte Reporterin wirst“, sagte Marie. „Eine
zweite Woodward oder Bernstein, das ist es, was sie immer sagt. So hießen doch
die beiden, die die Watergate- Affäre aufgedeckt haben?“
„Genau das sagt
sie“, pflichtete Janet bei. „Weißt du, sie hat mir mal einen von deinen ersten
Artikeln gezeigt, als du nach dem College deine erste Stelle bei einer Zeitung
hattest. Du hast über einen üblen Mordfall auf dem Land recherchiert. Das weißt
du doch noch, Liebes?“
„Klar“,
sagte Dylan und führte die Gruppe auf eine weitere Ansammlung massiver
Sandsteintürme zu, die sich steil über die Baumwipfel erhoben. „Sicher weiß ich
das noch. Aber das ist lange her.“
„Nun, was
auch immer du tust, ich weiß, dass deine Mutter sehr stolz auf dich ist“, sagte
Marie. „Du hast eine Menge Freude in ihr Leben gebracht.“
Dylan nickte
und bemühte sich, ihre Stimme wiederzufinden.
„Danke dir.“
Janet und
Marie arbeiteten beide mit ihrer Mutter in einem Zentrum für Straßenkinder in Brooklyn.
Nancy, das vierte Mitglied ihrer kleinen Reisegruppe, war Sharons beste
Freundin seit der Highschool. Alle drei Frauen waren in den letzten Monaten zu
Dylans Ersatzfamilie geworden. Drei weitere Menschen, die sie tröstend in die
Arme nahmen, und die würde sie wirklich brauchen, wenn sie ihre Mutter verlor.
In ihrem
Herzen wusste Dylan, dass es nur noch eine Frage der Zeit war.
So lange
waren sie zu zweit gewesen. Ihr Vater hatte sich davongemacht, als Dylan noch
klein war. Aber auch als er noch bei ihnen war, hatte er keinen besonders guten
Vater abgegeben. Auch ihre beiden älteren Brüder waren inzwischen fort, der
eine war Opfer eines Verkehrsunfalls geworden, und der andere hatte alle
Verbindungen zu seiner Familie abgebrochen, als er Vorjahren zur Armee ging.
Dylan und ihre Mutter waren übrig geblieben, um sich um die Scherben ihres
alten Lebens zu kümmern, und genau das hatten sie getan. Immer hatte die eine
die andere getröstet, wenn sie verzweifelt war, und selbst die kleinsten
Triumphe hatten sie miteinander gefeiert.
Dylan konnte
den Gedanken nicht ertragen, wie leer ihr Leben ohne ihre Mutter sein würde.
Nancy holte
sie ein und lächelte ihr liebevoll, aber auch etwas traurig zu. „Es bedeutet
Sharon so viel, dass du diese Reise für sie machst. Du lebst und machst diese
Erfahrungen für sie mit, weißt du?“
„Ich weiß.
Das hätte ich mir auch nie nehmen lassen.“
Dylan hatte
ihren Reisegefährtinnen - und auch ihrer Mutter - nicht gesagt, dass es sie
höchstwahrscheinlich ihren Job kosten würde, sich so kurzfristig einfach zwei
Wochen freizunehmen. Aber einem Teil von ihr war das egal. Sie hasste es
sowieso, für dieses billige Skandalblatt zu arbeiten. Sie hatte versucht, ihren
Chef damit zu ködern, dass sie sicher mit interessantem Material aus Europa
zurückkommen würde - vielleicht einer Geschichte über Rübezahl, den Geist der
böhmischen Wälder, oder einer Entdeckung Draculas außerhalb seiner rumänischen
Heimat.
Aber es war
nicht einfach, einem Typen Unsinn anzudrehen, der seinen Lebensunterhalt damit
verdiente, ihn anderen anzudrehen. Ihr Chef hatte sich klipp und klar
ausgedrückt. Wenn Dylan diese Reise machte, sollte sie entweder mit einem
echten Knüller zurückkommen oder aber sie brauchte gar nicht wiederzukommen.
„Gottchen, ist das vielleicht heiß hier oben“, sagte Janet, zog sich ihre
Baseballmütze von den kurzen silbergrauen Locken und fuhr sich mit der
Handfläche über die Stirn. „Bin ich der einzige Schwächling hier oder ist sonst
noch wer dafür, sich etwas auszuruhen?“
„Eine Pause
würde mir auch gut tun“, meinte Nancy.
Sie nahm
ihren Rucksack ab und legte ihn unter einer hohen Kiefer auf den Boden. Auch
Marie verließ den Weg, gesellte sich zu ihnen und nahm einen tiefen Schluck aus
ihrer Feldflasche.
Dylan war
überhaupt nicht müde. Sie wollte weitergehen. Die eindrucksvollsten
Kletterwände und Felsgebilde lagen noch vor ihnen.
Sie hatten
für diesen Abschnitt ihrer Reise
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