Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
Knall alles dunkel wurde.
Er sah Roth erst, als der es geschafft hatte,
aus einer der Seitentüren zu kriechen. Reichen drehte sich zu dem zerborstenen
Fenster um und warf einen Blick auf die Krieger hinunter, die von dem
deaktivierten Podest der Zelle sprangen.
„Reichen!“ Es war Tegans tiefe Stimme, die zu
ihm hochrief. Reichens Blick glühte bernsteingelb und flackerte wie das Feuer,
das immer heftiger in ihm tobte. „Komm da raus, Reichen! Lass den Mistkerl. Er
ist tot, wenn er hier drin bleibt.“
Stimmt, dachte Reichen. Aber so, wie sein
Körper sich anfühlte - seine Venen brodelndes Lava, sein Denken nur auf
Zerstörung fixiert - , wurde ihm klar, dass der Augenblick, vor dem er sich so
lange gefürchtet hatte, endgültig gekommen war.
Er war zu weit gegangen. Das Feuer in ihm wurde
immer stärker, er hatte es nicht mehr unter Kontrolle.
„Reichen, verdammt noch mal!“, schrie Tegan und
zögerte, als die übrigen Krieger so klug waren, den Raum schleunigst zu
verlassen. „Vergiss Roth, wir müssen unseren Arsch hier rauskriegen, bevor uns
alles um die Ohren fliegt!“
„Pass auf sie auf, schaffte er es irgendwie zu
sagen. Seine Kehle war trocken wie Zunder und kratzte bei jeder Silbe. „Bring
sie irgendwo in Sicherheit... tu mir den Gefallen, Tegan.“
Erwartete den finsteren Fluch nicht ab, der von
unten heraufdrang. Reichen jagte Roth nach und vertraute darauf, dass der
Krieger - sein Freund - seine Bitte erfüllen würde. Wenn er nur Claire in
Sicherheit wusste, mehr brauchte er nicht.
Abgesehen von der Gewissheit, dass Wilhelm Roth
tot war.
Er schlich durch den vorderen Flur, in den Roth
gerannt war, und hörte dabei das Kreischen von Metall, das sich verbog, die
Stahl- und Betonverstärkungen des unterirdischen Bunkers protestierten gegen
seine Anwesenheit. Leere Transportkarren aus Metall knickten zusammen, wenn er
an ihnen vorbeikam, Glasfenster in Türen und Büros zersplitterten angesichts
der puren Intensität und Energie der weiß glühenden Flammen, die um seine
Glieder und seinen Körper kreisten wie ein undurchdringlicher, lebendiger Kokon
aus reiner Energie.
„Wilhelm Roth!“, brüllte er, als er auf ein
paar Dutzend Meter an den Vampir herangekommen war.
Roth war davongerannt wie das Ungeziefer, das
er war, aber nun wurde er langsamer und blieb stehen.
Zweifellos spürte er, wie vergeblich sein
Versuch war, seinem Tod zu entrinnen - durch Reichens Hand oder seine eigene,
nachdem er vor drei Minuten diesen Sprengknopf aktiviert hatte.
Roth drehte sich langsam um, um ihm
entgegenzusehen. „Du überraschst mich, Reichen. Ich hätte gedacht, dass deine
Liebe zu meiner treulosen Gefährtin stärker ist als dein Hass auf mich.“
Reichen knurrte. Er hatte nicht vor, mit diesem
Abschaum über Claire oder seine Gefühle für sie zu reden. Roth musste wissen,
dass bis zur Explosion nur noch weniger als drei Minuten blieben und es keiner
von ihnen schaffen würde, noch rechtzeitig aus dem Bunker zu entkommen.
Reichen stapfte voran und konzentrierte sich
voll darauf, Roth nicht augenblicklich in Asche zu verwandeln. Er wollte die
nächsten zwei Minuten seines Lebens sinnvoll verwenden und konnte sich nichts
Besseres vorstellen, als Roth im Sekundentakt zu töten, seinen Körper
Zentimeter für Zentimeter wegzubrennen. Während er auf ihn zuging, blieb Roth
keine andere Wahl, als zurückzuweichen, und er schob sich immer näher ans Ende
des Korridors.
Reichen sah, dass Roths Haut sich zu röten
begann.
Er kam noch näher, drängte ihn weiter zurück.
Schweißperlen brachen Roth aus Augenbrauen und
Oberlippe, dann glänzten sein ganzes Gesicht und sein Hals vor Feuchtigkeit.
Und immer noch kam Reichen näher. Roth fauchte, als seine ungeschützten
Hautpartien anfingen, Blasen zu werfen und zu verbrennen.
Gestank stieg von seinem blonden Haar auf, das
in der Hitze von Reichens gnadenloser Gabe ebenfalls zu versengen begann.
Als seine Kleidung zu qualmen anfing, schrie
Roth auf. „Mach ruhig weiter, gib dein Bestes“, stieß er hervor. Er keuchte vor
Qual, fand aber dennoch die Kraft, seine Lippen zu einem sadistischen Lächeln
zu verziehen. „Hast du's vergessen? Meine Blutsverbindung zu Claire... solange
ich am Leben bin, fühlt sie meine Schmerzen. Foltere mich ruhig.
Du folterst sie auch.“
Claire schrie auf und fiel auf die Knie. Vor
sich in der Dunkelheit sah sie Renata, Hunter und Rio, die es bei der alten
Scheune gerade mit dem letzten Gen- Eins-Killer aufnahmen.
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