Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
in ihm
geschützt gewesen, das seither nur noch stärker, gleißender und
unkontrollierbarer brannte. Er hatte den Kampf gegen seine schreckliche
Fähigkeit verloren, den Kampf gegen sich selbst - wie er es befürchtet hatte.
Die anderen, die ihn in der
flammendurchloderten Waldesfinsternis anstarrten, wussten es ebenfalls. Vor
allem sie, die Frau, deren weit aufgerissene dunkelbraune Augen schmerzhaft an
etwas tief in seinem Innersten rührten. Er liebte sie. Nicht einmal der
Wahnsinn des erbarmungslosen Feuers konnte diese Tatsache fortbrennen.
Sie lebte in seinem Herzen, diese Frau.
Seine Frau.
Seine Gefährtin, heulte etwas Archaisches und
Gequältes in ihm auf.
Er liebte sie von ganzem Herzen, aber er
wusste, dass er sie nicht haben konnte. Nicht jetzt.
Nie mehr.
Bei diesem Gedanken warf er den Kopf zurück und
stieß einen brüllenden Schrei aus, und seine Stimme entfesselte einen weißen
Feuerball. Er beschrieb einen hohen Bogen und schlug einige Meter entfernt von
ihm in den Boden ein, Funken und gelöste Erdklumpen prasselten auf die Umgebung
herab.
„Andreas, bitte“, schrie seine Frau. „Lass uns
dir helfen.“
Flammen umtanzten sie. Ihre Augen füllten sich
mit Tränen, und ihre Hände zitterten, als sie sie ihm durch den Rauch und die
fahle, schwebende Asche entgegenstreckte, die wie Schneeflocken von den
Baumwipfeln regnete.
„Andre, schau mich an. Hör mir zu. Ich weiß, du
kannst es.“ Sie ging auf ihn zu und ignorierte dabei die Warnungen der Männer
in ihrer Nähe. „Ich bin nicht bereit, dich gehen zu lassen“, sagte sie heftig.
Worte, die ihm wie ein Echo vorkamen, wie eine
Erinnerung.
Hatte er sie hier, an diesem Ort, früher in
dieser Nacht gehört? Hatte er diese Worte zu ihr gesagt?
Das alles spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie
und die anderen, die bei ihr waren - Freunde, nannte sein Instinkt sie - ,
waren in seiner Gegenwart nicht mehr sicher. Sie mussten gehen.
Aber sie hatte nicht vor, ihn hier
zurückzulassen.
Das konnte er an ihrer trotzigen Kopfhaltung
deutlich erkennen. Er knurrte vor Wut, und sie spürte, dass ein weiterer
Feuerball in seinen Eingeweiden anschwoll.
Unglaublich, sie kam noch näher.
Ein Bild schoss ihm durch den Kopf, während er
zusah, wie sie noch einen Schritt auf ihn zuging. Er sah ein kleines Mädchen
mit sandfarbenen Rattenschwänzen und einem lieben Lächeln, das ihm in einer
freundlichen Geste die Hand hinstreckte. Er sah ein strahlendes, unschuldiges
Gesicht, das ihm Hilfe und Mitgefühl anbot... kurz bevor das Feuer, das in ihm
brannte, hervorbrach und sie vernichtete.
Er hatte schon einmal etwas Kostbares und
Reines getötet. Das wollte er nicht wieder tun.
Er schrie seine Selbstverachtung hinaus und
sandte damit einen kleinen Hagelschauer von Feuerkugeln vor sich auf die Erde.
Eine niedrige Barriere aus flackernden und knisternden Flammen trieb Claire
zurück, doch das reichte noch nicht. Sie musste unbedingt gehen - er musste
unbedingt wissen, dass sie außer Reichweite seiner zerstörerischen Kraft war.
Sie alle mussten jetzt unbedingt gehen.
Er sandte noch mehr Feuer aus und zwang auf
diese Weise die ganze Gruppe zum Rückzug. Als sie langsam zurückwichen, sah er
das tränenverschmierte, schöne Gesicht dieser Frau - seiner Frau, die ihn durch
die immer höher lodernde Flammenwand, die sie trennte, durchdringend ansah.
„Nicht, Andre“, formten ihre Lippen. „Das
erlaube ich dir nicht.“
Hitzewellen waberten aus den Flammen, die vor
Claire und den anderen tanzten. Durch den wogenden Feuerwall hindurch
beobachtete sie Andreas' Gesicht. In seinem Blick lagen Qual und Schmerz. Und
Wahnsinn. In seinen Augen glühte herzzerreißende, trostlose Entschlossenheit.
Er gab auf.
Er versuchte, sie von sich wegzutreiben, um mit
seinem Leiden - und wohl auch seinem Tod - allein fertig zu werden.
Nein, dachte Claire. Das kam nicht infrage.
Nicht die geringste gottverdammte Chance, dass sie das zuließ. Nicht nach
allem, was sie durchgemacht hatten. Nicht, nachdem sie all die Zeit auf ihn
gewartet und nie aufgehört hatte, ihn zu lieben.
Es musste irgendeine Möglichkeit geben, zu ihm
durchzudringen. Einen Weg, ihm zu helfen.
„Renata“, sagte sie und sah sich nach der
anderen Stammesgefährtin um. „Du hast da vorhin etwas mit deiner Gabe gemacht.
Es hat das Feuer um ihn herum etwas besänftigt...“
„Ja“, bestätigte Renata. „Ich habe es auch
gesehen.“
„Du musst es jetzt noch mal machen.“
Nikolai kam zu ihnen
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