Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
noch in Boston erwarteten.
Claire wollte nicht, dass diese Dinge in ihre Zeit zusammen einbrachen, aber sie
war nicht so naiv zu denken, dass ein paar Stunden Sex - absolut wahnsinniger
Sex - ihn die Rache vergessen lassen würden, die ihn antrieb.
Als sie jetzt zu ihm aufsah, spürte sie einen
kurzen Anflug von Sorge, dass diese schöne Zeit vielleicht nur die Ruhe vor dem
Sturm war. Dass sie aufwachen und erkennen würde, dass diese kurze Flucht mit
Andreas nur ein Traum gewesen war. Diese perfekten Stunden konnten jederzeit
abrupt zu Ende sein.
Aber Andreas' Lächeln war jetzt genauso
charmant wie immer, besonders jetzt, da ihr Körper nach dem Sex immer noch
erhitzt war und summte. „Es ist lange her, dass ich dich in aller Form
ausgeführt habe, Claire. Willst du?“
„Ja.“ Sie nickte begeistert. „Und wie.“
„Zieh dich an“, sagte er. „Ich dusche mich und
treffe dich unten.“
Aufgeregt wie ein Schulmädchen vor der
Verabredung mit einem neuen Schwärm, fuhr Claire in Rock und Pullover, zog die
Reißverschlüsse der sexy schwarzen Stiefel zu und schwebte ins Wohnzimmer
hinunter, um dort auf ihn zu warten.
Als er einige Minuten später hinunterkam,
frisch geduscht, rasiert und angezogen, sein braunes Haar feucht und zerzaust,
machte Claires Herz einen kleinen Sprung. Er sah umwerfend aus in den
anthrazitgrauen Hosen und dem schwarzen Seidenhemd, die sie ihm gekauft hatte.
So was von umwerfend, dass sie ihn am liebsten sofort wieder nackt ausgezogen
und vernascht hätte.
„Fertig?“, fragte er.
Sie nickte und nahm seine ausgestreckte Hand.
Es war eine angenehme Nacht, kühl, aber klar, als sie den kurzen Weg zu Fuß in
die historische Altstadt von Newport gingen. Es hatte sich viel verändert, seit
Claire vor gut zwanzig Jahren zum letzten Mal zu Hause gewesen war. Altmodische
Boutiquen, Tante- Emma-Läden und billige Schnellrestaurants waren Hotels und
Ferienwohnungen, Bekleidungsketten und Nobelrestaurants gewichen.
Aber stellenweise war ihre alte Heimatstadt
immer noch wie früher, sogar unten bei den Kais, Claires Lieblingsplatz in
Newport. Der Hafen war ein magischer Ort, besonders nachts.
Auf der dunklen, einströmenden Flut schaukelten
Seite an Seite Millionärsjachten und Segelboote, vertäut neben alten
Fischkuttern und den allgegenwärtigen Touristenbooten. Galerien, Geschäfte und
Restaurants säumten die gepflasterten Fußgängerwege, die zu den Anlegestegen
führten, alles war in weiches gelbes Licht getaucht und vibrierte vom Lachen
und den Gesprächen der vielen spätherbstlichen Touristen, die bummelten und
stöberten, genau wie Claire und Andreas.
Hier draußen, in dieser riesigen anonymen
Menschenmenge, so weit entfernt von den Schrecken des Lebens, das sie erst vor
wenigen Nächten hinter sich gelassen hatte, konnte Claire fast die Augen
schließen und sich eine Zukunft vorstellen, in der Frieden herrschte. Umso
besser, wenn ihre Hand sanft in Andreas' starkem Griff gefangen war. Wenn er so
wie jetzt an ihrer Seite war, konnte sie sich fast einreden, dass sie immer
noch ein Paar waren, immer noch frisch verliebt wie damals, und dass nichts als
Abenteuer und Glück sie erwarteten.
Claire versuchte, nicht an Wilhelm Roth zu
denken.
Sie konnte nicht mehr an ihn als ihren
Gefährten denken, wenn er es denn überhaupt jemals wirklich gewesen war. Sie
wusste, dass er gefährlich war - und jetzt, da er wusste, dass sie mit Andreas
geschlafen hatte, umso mehr. Letzte Nacht hatte er ihr seine Missbilligung nur
allzu deutlich zu verstehen gegeben, indem er ihr durch ihre Blutsverbindung
einen heftigen körperlichen Schmerz geschickt hatte.
Seine Warnung hätte nicht klarer sein können,
wenn er sie direkt in ihr Fleisch geschnitten hätte. Gefährte oder nicht, Wilhelm
Roth war jetzt auch ihr Feind, ebenso sehr, wie er Andreas' Feind war.
Dieser beunruhigende Gedanke verfolgte sie, als
sie und Andreas ein Pralinengeschäft direkt an den Kais betraten.
„Komm“, sagte er und führte sie zu den
glänzenden Glasvitrinen, die ein Pralinensortiment enthielten, das einem das
Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
Claire sah ihn belustigt an. Sie wusste, dass
Stammesvampire menschliche Nahrung nur in winzigsten Mengen verdauen konnten
und sie normalerweise nur in Situationen zu sich nahmen, in denen sie gezwungen
waren, sich als Menschen auszugeben. Was entsetzlich schade war, dachte sie
beim Anblick der Pralinenkollektion, die Augen und Geschmacksknospen schwer in
Versuchung
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