Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
schneidend vor Bösartigkeit. „Bist du wirklich so naiv, Claire? Ich
habe kein Interesse mehr an ihm“, sagte er vollkommen emotionslos. „Und an dir
auch nicht.“
Ein Hoffnungsschimmer, schwach, aber
verheißungsvoll. Doch dann brach Roth in ein so schreckliches Gelächter aus,
dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten. „Es ist mir nie um dich gegangen,
Claire. Hast du das etwa nicht gewusst?
Nie geahnt? Du warst nur eine Trophäe, die ich
wollte, weil es bedeutete, ihm etwas Wertvolles wegzunehmen. Seinen Dunklen
Hafen zu vernichten und die Menschen, die ihm am nächsten standen, war ein
Vergnügen, das ich so nicht erwartet hatte.
Eines, das ich nichtsdestotrotz sehr genossen
habe.“
„Du bist krank, Wilhelm.“ Ihr Magen verkrampfte
sich vor Verachtung. „Mein Gott, du bist wirklich ein Ungeheuer.“
„Und du, Claire, du bist für mich schon tot“,
flüsterte er, seine Stimme war ein tonloses Grollen, das sie bis ins Mark
frösteln ließ. „Du und Andreas, ihr seid beide schon tot. Ihr wisst es nur noch
nicht.
Ihr seid Hindernisse auf dem Weg zur wahren
Größe, und ihr werdet beseitigt werden. Ihr und der Orden.“
„Ist das dein Versprechen an Dragos?“, fragte
sie hölzern. „Wie lange machst du schon die Drecksarbeit für ihn?“
Roth quittierte ihren Abscheu mit einem
maliziösen Lächeln. „Unsere Revolution hat schon begonnen, bevor ich die
Fehlentscheidung traf, dich zur Gefährtin zu nehmen. Ich hätte mich nie damit
aufhalten sollen, meine Zeit mit dir zu verschwenden, egal, wie sehr es mir
auch gefallen hat, zu wissen, was ich dir und Reichen dadurch genommen habe. Es
wäre wohl genauso befriedigend für mich gewesen, dich Dragos zu übergeben, wie
die anderen Frauen, die ich ihm im Lauf der Jahre besorgt habe.“
Claire bemühte sich zu verstehen, was er eben
gesagt hatte. Andere Frauen. Roth lieferte Dragos Frauen - meinte er
Stammesgefährtinnen? Zu welchem Zweck, fragte sie sich, brauchte aber nur einen
Moment, um es zu erraten.
Aus dem Traumäther tauchte plötzlich eine Wand
mit verschlossenen Zellentüren auf. Dunkle, lichtlose, schreckliche
Gefängnisse. Und in ihnen waren Frauen eingesperrt. Stammesgefährtinnen. Sogar
von ihrem Standort aus konnte Claire an einigen von ihnen das Mal mit der Träne
und der zunehmenden Mondsichel erkennen.
Das gleiche Mal, das auch sie selbst trug. Das
gleiche Mal, das eine Menschenfrau kennzeichnete, die in der Lage war, sich mit
einem männlichen Stammesangehörigen zu paaren und seinen Nachwuchs auszutragen.
Gütiger Gott, in diesen Zellen waren mehr als
zwanzig Frauen eingesperrt. Ihr Magen geriet in noch quälenderen Aufruhr, als
sie sah, dass einige von ihnen schwanger waren.
„Was geht hier vor?“, fragte sie entsetzt und
angeekelt. „Was zum Teufel macht ihr da, du und Dragos?“
Noch während sie sprach, vor Empörung immer
lauter werdend, schnappte sie das leise Geheul eines Tiers auf, das von
irgendwo tief unter der Stelle drang, an der sie und Roth standen. Das Heulen
schwoll zu einem Brüllen an - einem gequälten, klagenden Schrei, der in ihren
Fußsohlen vibrierte und ihr durch Mark und Bein ging.
Es ähnelte nichts, was sie je gehört hatte...
ein absolut fremder Laut, der ihr vor Schreck das Herz zusammenschnürte.
Mein Gott, was für ein Ort war das hier? Welche
Gräuel veranstalteten Dragos und Roth hier?
Das entsetzliche Geschrei hielt an, so laut,
dass es den Boden unter ihren Füßen in Resonanz versetzte.
Roth warf den Kopf in den Nacken und äffte das
Geheul der unsichtbaren Kreatur nach, höhnisch und sadistisch.
Dann lächelte er ein mörderisches Lächeln. „Du
bist tot, Claire. Genau wie die Stammesgefährtinnen da drüben. Er wird dir ein
Glied nach dem anderen ausreißen. Es sei denn, ich hätte als Erster das
Vergnügen. Denk daran, wenn du dich das nächste Mal von Reichen anfassen lässt.
Wenn du dich das nächste Mal von ihm vögeln lässt, weißt du, was dich erwartet.
Ich werde euch beide töten, und ich werde es mit wahrer Wollust tun.“
Dann waren Roth und die Schreckenskammer von
einem Moment auf den anderen verschwunden. Er hatte das Netz durchtrennt, das
sie im Schlaf verband, und Claire erwachte zitternd und keuchend unter dem
warmen Sprühregen der Dusche.
„Oh Gott“, japste sie und vergrub das Gesicht
in den nassen Handflächen. „Oh mein Gott... was habe ich getan?“
Nur wenige Minuten nach dem Aufwachen begriff
Wilhelm Roth, was für einen schweren Fehler er gerade
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