Midnight Fever: Verhängnisvolle Nähe (German Edition)
geklingelt und geklopft, und sie hörte eine schwache, zittrige Stimme rufen: »Claire! Claire, mach auf! Ich weiß, dass du da bist!«
Du lieber Gott, ihr Vater! Er war früher aus Paris zurückgekommen.
Claire sprang aus dem Bett, zog sich das Nachthemd über und rannte schreiend durchs Wohnzimmer: »Bud! Bud, nicht schießen! Es ist mein …!«
Zu spät. Er hatte durch den Türspion gespäht, senkte nun die Waffe neben sein Bein und zog die Tür auf. Ihr Vater stolperte herein. Bud fing ihn ab.
»Mr Parks!«, brummte Bud erstaunt.
»Lieutenant Morrison!«, keuchte ihr Vater.
»Daddy!«, rief Claire.
Bud drehte sich stirnrunzelnd zu ihr um.
»Daddy?«
Sie starrte ihn an.
»Lieutenant?«
11
14. Dezember
Parks-Villa
Also war sie doch eine Prinzessin, dachte Bud bedrückt beim Abendessen bei den Parks.
Keine aus einem Königshaus, aber es kam dem schon ziemlich nah. Die Parks waren fast so etwas wie die Royals, zumindest in Oregon. Es gab eine Parks-Stiftung, ein Parks-Museum für moderne Kunst, einen Elisa-Parks-Flügel im St. Jude-Kinderkrankenhaus und im Sommer das Parks-Mittelaltermusikfest.
Mit dem Geld der Parks wurde die technische Ausstattung der Polizei von Portland auf dem neusten Stand gehalten. Nachdem Bud die Erbin gerettet hatte, hatte der alte Parks im Stiftungsvorstand durchgesetzt, dass die Polizei alles bekommen sollte, was sie brauchte. Bud hatte deswegen den Spitznamen »Goldjunge« abgekriegt.
Dieses herzzerreißende, verängstigte kleine Bündel, das er vom schmutzigen Boden in Gavetts Van aufgehoben hatte, sollte seine Claire gewesen sein? Kein Wunder, dass er sie im
Warehouse
nicht erkannt hatte.
Obwohl sie damals schon – wie alt? – fünfzehn gewesen war, hatte sie kaum mehr als dreißig Kilo gewogen und war völlig kahl gewesen. Mit einer Augenbinde, geknebelt und gefesselt, hatte er sie gefunden. Er sah es noch vor sich, wie er ihr die Klebebänder durchgeschnitten und sie auf die Arme gehoben hatte. Jede Bewegung fiel ihm schwer. Er hatte eine Kugel abbekommen, und die Schmerzen machten sich trotz Schockzustand allmählich bemerkbar. Er hatte viel Blut verloren. Doch das kleine Mädchen – er hatte es für sieben oder acht gehalten – wog fast nichts, er konnte es mühelos tragen.
Er erinnerte sich an die angstgeweiteten Augen und das starke Zittern. Sie wirkte so zerbrechlich, dass er sich kaum traute, sie anzufassen. Nein, bis auf die großen blauen Augen gab es keine Ähnlichkeit mehr mit der attraktiven Claire von heute.
Dass sie ihn nicht erkannt hatte, war nicht weiter verwunderlich. Sie hatte sich damals an seine Schultern geklammert und das Gesicht an seinem Hals geborgen. Er war in Uniform, ein junger Streifenpolizist, der die Fahndungsmeldung gehört und zufällig den blauen 87er Chevy-Van entdeckt hatte. Die Leute erinnerten sich immer nur an die Uniform, nicht an das Gesicht.
Außerdem war er voller Schlamm und Blut gewesen. Er machte Meldung und hielt die Kleine im Arm, bis Verstärkung kam, in Form von zwei Streifen, die gerade in der Nähe waren, und einem Team Notfallsanitäter. Bis dahin hatte er sich bei Bewusstsein halten können, dann brach er vom Blutverlust zusammen und kam erst drei Tage später zu sich. Da war Claire schon weit weg. Der alte Parks hatte sie in eine Schweizer Klinik gebracht, die erstklassige ärztliche Behandlung bot und rund um die Uhr bewaffnete Bewacher vor das Krankenzimmer stellte.
Wie hätte er wissen können, dass es Claire Parks war, die er da vögelte? Bei dem Gedanken wurde ihm schwindlig. In dieser Familie hatte er nicht das Geringste verloren.
Ihr Haus war wie ein Palast.
Als er die Auffahrt entlanggefahren war, war ihm bange geworden. Das war überhaupt nicht seine Liga. Dieser enorme, vierstöckige graue Steinkasten hätte zum Monarchen eines Kleinstaats gepasst. Der Trailer, in dem er aufgewachsen war, hätte locker in eine Nische der Eingangshalle gepasst, nur dass er auf den schwarz-weißen Marmorfliesen komisch ausgesehen hätte.
Allein das Besteck auf dem sechs Meter langen Mahagonitisch könnte er mit einem Monatsgehalt nicht bezahlen, und jede Wette, dass die Gemälde an den Wänden mehr kosteten, als er in seinem ganzen Leben verdienen würde.
Zum Glück wusste er, welche Gabel er zu benutzen hatte. Es waren vier, dazu drei Löffel, vier Messer und vier Kristallgläser mit goldenem Rand.
Er wusste, welche Gabel zu welchem Gang gehörte.
Die Navy war eine riesige Veredelungsmaschine. Am einen Ende
Weitere Kostenlose Bücher