Midnight Man (02) – Gefährliche Mission
das Haus in einem Leichensack, und sie stand neben dem Mann, der ihn getötet hatte.
Sie blickte zu John auf. Er hatte den Arm um ihre Taille, sah sie aber nicht an. Sein Blick wanderte die Straße entlang, immerzu hin und her, ohne irgendwo zu verweilen, aber sie merkte ihm an, dass er jede Einzelheit seiner Umgebung wahrnahm. Dann wandte er sich ihr zu, als ein Scheinwerfer auf sie fiel. An seinem Kiefer zuckte ein Muskel. Er zog sie enger an sich, stellte sich halb vor sie, die Hand mit der Waffe schussbereit.
Suzanne starrte ihn an. Ihr Atem kondensierte und mischte sich mit seinem.
Bud kam zu ihnen zurück und legte eine Hand auf ihre Schulter. »Okay, Suzanne«, sagte er. »Steig in den vorderen Wagen und –«
»Sie fährt mit mir«, sagte John über Buds Kopf hinweg, und sein Tonfall duldete keinen Widerspruch. »Ich bringe sie in die Innenstadt. Ich lasse sie nicht mehr aus den Augen. Für keine Sekunde.«
Bud starrte ihn an, und John starrte zurück. Bud hob die Schultern. »Meinetwegen. Es spielt keine große Rolle, wer sie fährt. Wir müssen sowieso auch mit dir reden, wie du dir vorstellen kannst. Du kennst die Adresse des Reviers?«
John nickte.
»Moment noch«, sagte Suzanne. »Mein Haus. Wir können es nicht einfach mit defekter Alarmanlage lassen.«
»Die Polizei wird einen Posten davor abstellen. Deinem Haus wird nichts passieren.« Er warf Bud einen scharfen Blick zu. »Oder?«
Bud lächelte schief. »Ja, klar, sicher. Ich kann jemanden dafür abstellen, und natürlich versiegeln wir die Tür. Da wird niemand eindringen. Dein ganzer Schnickschnack wird noch da sein, wenn du zurückkommst, oder Claire reißt mir den Kopf ab. Dein Fong –« Er stockte.
»Feng-Shui.« Suzanne versuchte zu lächeln, obwohl sie traurig war. Es stimmte nicht. Ihr wunderschönes Zuhause, das sie sich erträumt und schließlich geschaffen hatte, war nicht mehr Feng-Shui, war nicht mehr im Einklang mit Wind und Wasser. Die Harmonie war zerstört, die Energie erschüttert. In ihr Refugium war jemand gewaltsam eingedrungen und gewaltsam zu Tode gekommen. Sie fragte sich, ob sie sich je wieder sicher fühlen würde.
»Ja. Wie auch immer.« Bud sah die Bahre in einem Transporter verschwinden, der an den Straßenrand gefahren war. »Also ab zum Revier. Wir haben eine lange Nacht vor uns.« Er sah zum dunklen Himmel auf, dann auf die Uhr. Es war drei. »Einen langen Morgen, besser gesagt. Ich fahre voraus, du hinter mir her, John.«
»Zu meinem Wagen geht es hier entlang«, murmelte John zu ihr, sowie sie durch das Tor waren. Er schwenkte nach links, und sie zog den Koffer hinter sich her. Sie kam sich albern damit vor. John hatte mit keinem Wort erwähnt, warum er sie einen Koffer packen ließ, und sie hatte nicht gewagt zu fragen. Nicht, wo er so konzentriert die Umgebung beobachtete. Fragen konnte sie später noch stellen.
Er suchte den Himmel, die dunklen Häuser, die verlassenen Straßen ab. Doch nirgends war etwas zu sehen. Es war so spät, dass nicht einmal die beiden Prostituierten da waren. Vielleicht gingen sie auch gerade im St. Regis ihrem Gewerbe nach.
Als sie an dem heruntergekommenen Hotel vorbeikamen, fragte sie sich, wo Johns Yukon wohl stand. Außer Sichtweite des Hauses, hatte er gesagt. Warum hatten sie nicht ihren Wagen genommen? Der fuhr wieder traumhaft, dank ihm.
Ihr Wagen. Sie ging langsamer. Sie konnten ihren Wagen nicht nehmen. Sie hatte vorhin die Handtasche gewechselt und den Führerschein liegen lassen, zusammen mit zwei Kreditkarten. Auf der Frisierkommode. Das war nicht gut. Selbst wenn ein Posten vor der Tür stand, war es nicht klug, so etwas offen liegen zu lassen. Ganz zu schweigen davon, dass sie sich bei der Polizei ausweisen musste. Suzanne machte kehrt.
Dann passierte alles ganz schnell.
Sie hörte ein Husten und fühlte einen brennenden Schmerz an der Wange. Nicht mal eine Sekunde später rammte John sie gegen die Hauswand, dass es ihr die Luft aus den Lungen trieb. Sie wollte fragen, warum er das tat, aber sie war zwischen seinem breiten Oberkörper und der Wand eingeklemmt.
Er hob den Arm, und es knallte. Es knallte so nah bei ihr, dass sie nicht gleich begriff, dass es zwei Schüsse waren. Sie war halb taub, und entsetzt wurde ihr klar, dass er in ein Haus gegenüber geschossen hatte. Sie reckte den Hals, um an ihm vorbeizuspähen, und folgte der Richtung seines ausgestreckten Arms. Er hatte ins St. Regis hineingeschossen, in ein Hotel! Großer Gott, er konnte
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