Midnight Man (02) – Gefährliche Mission
jemanden getötet haben!
»John!«, brüllte Bud, der in vollem Tempo zu ihnen gerannt kam. Er griff in seine Jacke und zog die Waffe. »Was ist los, Mann? Das ist ein Hotel! Hast du den Verstand verloren?«
John packte Suzanne am Arm und zog sie weiter, während er sie zwischen sich und der Hauswand hielt. Alle drei schauten zu dem Fenster mit der zersplitterten Scheibe hoch. Dort hing ein Mann über den Fenstersims nach draußen, kam langsam ins Rutschen und stürzte schließlich auf den Bürgersteig. Kurz sah man seine Silhouette vor der Hauswand. Das Gewehr in seiner Hand war deutlich erkennbar. Ebenso der blutüberströmte Kopf.
Suzanne stieß einen spitzen Schrei aus und stand da wie erstarrt.
»Komm weiter.« John gab ihr einen harten Ruck. Er lief schnell, und sie war gezwungen, Schritt zu halten. Auf einer gefrorenen Pfütze glitt sie aus, aber er hob sie an und brachte sie wieder ins Gleichgewicht. »Das war der zweite Killer, Bud!«, rief er im Rennen über die Schulter. »Holt die Kugel aus der Hauswand, wenn du mir nicht glaubst. Du wirst verdammt noch mal herausfinden, was hier läuft, klar? Vorher siehst du sie nicht wieder!«
»Warte!«, schrie Bud. Es hallte durch die leere Straße. »Was redest du da?«
Aber John war schon um die Ecke gebogen. Suzanne hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten, zumal sie den Koffer hinter sich herzog. Sie stolperte. Ohne anzuhalten, packte John sie, hob sie samt Koffer auf den Arm und rannte weiter. Am Ende der Singer Street sah sie den Yukon stehen. John hatte die Fernbedienung schon in der Hand und entriegelte die Türen. Ein paar Sekunden später setzte er Suzanne auf den Beifahrersitz, sprang auf seiner Seite in den Wagen und fuhr mit quietschenden Reifen an.
Suzanne schluchzte auf, dann riss sie sich mit einem Schaudern zusammen. Das Letzte, was John jetzt brauchte, war eine hysterische Frau. Er fuhr in halsbrecherischem Tempo durch die dunklen Straßen, die Hände fest am Lenkrad. Es wäre fatal, wenn jemand achtlos aus einer Seitenstraße käme. Er schaute permanent in den Rückspiegel und die Seitenspiegel.
»Schnall dich an.« Er wirkte ruhig und unnahbar. Mit zitternden Händen gehorchte sie und stellte den Koffer zwischen ihre Beine, damit er nicht hin und her kippte.
Er sauste über eine Kreuzung.
»Halt dich fest«, befahl er kalt, trat auf die Bremse und drehte das Steuer herum. Suzanne wurde heftig nach rechts geworfen, aber der Sicherheitsgurt hielt sie im Sitz. Sie biss die Zähne zusammen, um nicht zu kreischen, als der Wagen eine seitliche Rutschpartie absolvierte. Sie wappnete sich für den Zusammenstoß, der jedoch ausblieb. Die Reifen quietschten, und der Gestank von verbranntem Gummi drang in den Wagen. Dennoch war klar, dass John ihn vollkommen in der Gewalt hatte, während er das Lenkrad hastig herumwarf und in schneller Folge auf die Bremse trat. Damit drehte er den Wagen innerhalb von Sekunden um 180 Grad und beschleunigte erneut.
Suzanne hatte noch niemanden fahren sehen, als wäre er lebendiger Bestandteil des Wagens. Wieder schaute John in regelmäßigen Abständen in den Rückspiegel. Suzanne stemmte sich gegen die Tür, wenn er um Straßenecken bog.
»Folgt uns jemand?« Sie war stolz, dass ihre Stimme nicht schwankte.
»Nein, wir sind allein«, antwortete John und schaute aufmerksam nach vorn in die Umgebung. Er klang nach wie vor unbeteiligt. Etwa als machte er eine beiläufige Bemerkung übers Wetter – nein, es regnet nicht mehr – nein, es sind keine Killer mehr hinter uns her.
Er fuhr inzwischen langsamer und stetig stadtauswärts. Schließlich überquerten sie die Stadtgrenze. Dort gab es keine Straßenbeleuchtung mehr. Suzanne sah sein Gesicht nur noch im Schein des Armaturenbretts, der die strengen Linien von Kinn, Jochbein und Stirn hervorhob.
Er hatte heute Nacht zwei Menschen getötet. Er hatte es zu ihrem Schutz getan. Trotzdem hatte er deren Blut an den Händen. Er war ein Soldat; Töten gehörte zu seinem Beruf. Sie konnte nicht abschätzen, wie viele Männer er schon getötet hatte, aber die gefährliche Ausstrahlung, die ihn umgab wie eine Aura, legte nahe, dass es einige gewesen waren.
Sie saß also allein bei einem Mann im Auto, der töten konnte. Der getötet hatte. Der – wenn sie seine Wachsamkeit richtig deutete – bereit war, wieder zu töten. Dabei wusste sie fast nichts über ihn, außer dass er weit außerhalb des normalen Lebens stand, wie sie es kannte. Er hätte genauso gut ein Marsianer
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