Miese Chefs

seid, einen spitzen Pfahl in den Sockel gerammt zu kriegen.
    Machen Sie sich nicht so viele Gedanken darüber, wer tatsächlich Schuld hat. Es geht um Symbolakte.
    Doch Vlad beschränkte seine Lektionen nicht auf die Bessergestellten. Er war ebenso gewillt, die Fehler der niedrigsten seiner Untertanen abzumahnen. Die Legende will, dass er bei einer Kutschfahrt durch die Stadt vom Verkehr oder irgendeinem Hindernis aufgehalten wurde. Während er aus dem Fenster sah, bemerkte er einen Bauern, der in besonders schäbigen, geflickten Kleidern vorbeiging. Er bedeutete dem erbärmlich gekleideten Bauern, näher zu treten, und fragte ihn, wer sein Übergewand gerichtet hatte. »Meine Frau«, kam die Antwort. »Bring sie zu mir«, sagte Vlad. Die Frau wurde vor Vlad geführt und gefragt, ob sie tatsächlich für diese schlampige Reparaturarbeit verantwortlich sei.
    Wieder hat Vlad hier die Möglichkeit, eine Lektion zu erteilen, diesmal in Sachen Schlampigkeit und in Bezug auf den Stolz, den man für seine Arbeit empfinden soll. Doch wie soll man jemanden in dieser Situation bestrafen – angemessen und zu der begangenen Verfehlung passend? Wie wäre es mit Pfählen? Das Tolle an einem Spitznamen wie »Pfähler« ist doch, dass er einem über jeden Engpass hinweghilft.
    Stellen Sie sich nur die endlosen Fragen vor, die von Ihren Handlangern kommen. »Was sollen wir mit den Gefangenen machen? Was sollen wir mit den Armen machen? Was sollen wir wegen der Kriminellen unternehmen? Da wären noch ein paar Immigranten … Wir wissen nicht, was wir mit diesen fahrenden Kaufleuten machen sollen. Der Zirkus ist gerade in der Stadt angekommen …« Vlad hatte für all diese Situationen und noch mehr eine Antwort bereit. Die Pfahlmacher müssen jedenfalls ziemlich beschäftigt gewesen sein, denn man vermutet, dass auf dem Höhepunkt bis zu 20.000 gepfählte Körper in unterschiedlichen Zuständen der Verwesung um Vlads Burg Targoviste zu finden waren.
    Stellen Sie sich den Geruch vor! 20.000 verwesende Körper, von noch lebendig und kreischend bis hin zu völlig verfault. Und lernten die Leute unter Vlads Herrschaft etwas aus ihren Fehlern? Nun, Sie können sicher sein, dass diese Bauersfrau nie wieder eine schlampige Näharbeit machte!
    Nun wollen wir aber Vlads Beispiel, wie man Leuten eine Lektion erteilt, im Kontext einer modernen Organisation des 21. Jahrhunderts untersuchen. Typischerweise kommunizieren wir ja heutzutage per E-Mail, also finden Sie auf den folgenden Seiten einen ganzen normalen E-Mail-Austausch, wie Sie ihn sicher kennen. Ziehen Sie sich den Stiefel von Vladimir Chapman an, dem Chef in diesem Szenario. Er wird über ein Problem in der Produktionsabteilung der Fabrik, die er leitet, benachrichtigt …
    An: [email protected]
    Von: [email protected]

    Betreff: Fließbandausfall – Problem mit Monitoren

    Hi Vladimir,
    wollte Dich nur kurz benachrichtigen, dass es in Zusammenhang mit dem Fließband-Upgrade-Projekt ein Problem gibt. Wie Du weißt, sollten wir diese Woche die neuen Monitore ans Fließband anschließen, um Zeilenvorschubsfehler zu entdecken und zu beheben, sodass wir künftig weniger Fließbandstopps brauchen.
    Wir rechnen damit, dass diese Monitore die Ausfälle um 50 % reduzieren, was auf 2000 Einheiten mehr pro Woche hinausläuft. Die neuen Monitore sollen die alten, überholten Komponenten ersetzen, die wir übers Wochenende ausgebaut haben. Unglücklicherweise kamen die neuen Monitore ohne die nötige Software und funktionieren deshalb nicht. Die Software ist unterwegs und sollte Ende der Woche bei uns sein.
    Das Problem besteht darin, dass wir beim Demontieren der alten Monitore aus Versehen ihre Programmierung gelöscht haben und niemand weiß, wie sie sich neu programmieren lassen. Die Herstellerfirma ist pleite und existiert nicht mehr.
    Es sieht so aus, dass wir keine andere Wahl haben, als den Rest der Woche über die Einheiten von Hand zusammenzusetzen, bis die neue Software für die Monitore kommt. Von Hand können wir allerdings nur 10 % der Produktmenge des automatischen Fließbands schaffen. Ich übernehme die volle Verantwortung für diesen Fehler und arbeite zusammen mit meinem Team hart daran, so viele Einheiten wie möglich fertig zu bekommen, habe Zeitarbeiter angestellt und doppelte Schichten angeordnet.
    Ich bitte aufrichtig um Entschuldigung, bitte lass mich wissen, wenn Du Fragen hast. Mit freundlichen Grüßen
    Inna Trubble
    Production Team