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Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition)

Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition)

Titel: Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Retzer
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obwohl er Reboxetin von der Erstattungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen hat, Reboxetin in medizinisch gut begründeten Einzelfällen zur Verordnung zu Lasten der GKV zuzulassen.
    Wer schützt uns eigentlich vor diesen Verbraucherschützern?
    Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens. [154]  

Neuro-Enhancement oder Hirndoping?
    Der Begriff des Enhancements zielt auf eine harmlos klingende Verbesserung und Weiterentwicklung von etwas Vorhandenem ab, lässt aber weitgehend offen, was dort an Vorhandenem verbessert oder weiterentwickelt wird ( to enhance  = anreichern, aufwerten, steigern, verbessern, weiterentwickeln; enhancement  = Anreicherung, Erweiterung, Steigerung, Verbesserung).
    Der Begriff des Dopings dagegen wird im Sport benutzt und hat dort eine weniger offene Bedeutung. Das Wort »Doping« stammt ebenfalls aus dem Englischen und leitet sich von dem Verb to dope ab, was in etwa »Drogen verabreichen« oder »konsumieren« bedeutet. Es hat seinen Ursprung in Südafrika, wo es im Afrikaans zur Bezeichnung des Konsums von Getränken mit stimulierender Wirkung verwendet wird. In England wurde der Begriff zunächst für Aufputschmittel, die im Pferdesport Verwendung fanden, benutzt. Doping wird verstanden als der Versuch, eine Leistungssteigerung zu bewirken durch Einnahme körperfremder Substanzen, unerlaubter Wirkstoffe oder die Anwendung unerlaubter Methoden zur Leistungssteigerung. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) führt eine ständig überarbeitete Liste verbotener Wirkstoffe und Substanzen. Auf der Verbotsliste finden sich auch Amphetamine, Methylphenidat und Modafinil.
    Doping im Sport ist also untrennbar mit dem Unerlaubten und Verbotenen verknüpft. Gemeinsam ist dem Hirndoping und dem Sportdoping die Leistungssteigerung. Aber: Ritalin ® und Vigil ® sind nicht verboten, zumindest dann nicht, wenn man sich nicht gerade in einem sportlichen Wettkampf befindet.
    Beim Hirndoping wird also nichts Verbotenes gemacht; allenfalls findet ein Missbrauch statt. Medikamente können missbraucht werden, wenn sie zweckentfremdet verwendet werden, also nicht für die zurzeit vorgesehene Behandlung von Menschen mit den dafür vorgesehenen Diagnosen. Medikamente für Gesunde sind ein Widerspruch in sich selbst. Aber genau das ist die Praxis des Hirndopings.

Qualitätsmanagement und Hirndoping
    In vielen Unternehmen und Organisationen ist Qualitätsmanagement zu einer Kurzformel für den permanenten Aufruf zur Selbstoptimierung geworden. Das Besondere und Neue: Die Norm ist nicht festgelegt. Norm ist die permanente Verbesserung, begleitet von einer Demokratisierung betrieblicher Führungsstile und der sogenannten partizipativen Führung. Es wird nicht mehr auf Anordnung und Befehl und Gehorsam gesetzt. Es wird an die Eigenverantwortlichkeit und die Selbstoptimierung der Mitarbeiter appelliert. Die Mitarbeiter sollen sich selbst führen und werden dabei »unterstützt« durch Mitarbeiterbefragungen oder 360°-Feedbacks. Mit Hilfe von Fragebögen werden Mitarbeiter durch eine Vielzahl von Personen in unterschiedlichster Hinsicht auf mehrstufigen Skalen bewertet. Die Bewertungen erfolgen anonym, und die Bewerteten erhalten ein individuelles Bewertungsprofil. Dieses zeigt den Verbesserungsbedarf auf. Der Erfolg der Bemühungen wird durch weitere Befragungen überprüft. Das Ergebnis ist in den meisten Fällen problematisch. Mitarbeiterbefragungen führen zu Selbsterfahrungserlebnissen, die im besten Falle noch mehr Optimierungsdruck erzeugen, oft jedoch lediglich Demütigung und Selbstzweifel. In beiden Fällen kann Hirndoping Hilfe und Unterstützung versprechen.
    Die so Beobachteten sind mit diesem demokratischen Verfahren einer permanenten Kontrolle und einer Aufsicht durch alle ausgeliefert, die sie selbst zur Selbstbeobachtung und Selbstoptimierung zwingen. Man muss damit rechnen, unausweichlich immer und überall beobachtet zu werden. Dies setzt einen

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