Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition)
Selbstdisziplinierungs- und Selbstoptimierungsprozess in Gang, der nie an ein Ziel gelangt. Eine Infragestellung der Verfahren ist kaum möglich, da sie einen Wahrheits- und Objektivitätsmythos vorgaukeln, dem man sich nur schwer entziehen kann. Umso schwerer wiegen die dabei »ans Licht kommenden« Unzulänglichkeiten. Der Generalverdacht gegenüber der Selbstbewertung wird nie ausgeräumt. Man hat sich selbst zu misstrauen. Aber damit nicht genug!
Achtung: Allgemeine Kriegsstimmung
Ist das Leben im Studium, im Beruf, in der Familie, in der Partnerschaft schon ein Wettkampf, der in guter Stimmung und mit der entsprechenden Leistungsstärke angegangen werden will, so ist der Krieg erst recht ein Unternehmen, das eiserne Nerven und volle Leistungsstärke verlangt. Nicht selten verwischen sich aber auch die Grenzen zwischen beiden Operationsfeldern. Im Frühjahr 2010 war folgende Schlagzeile zu lesen: Bei Apple herrscht Kriegsstimmung! Der Kriegsgegner ist Google!
Was liegt näher, als nicht nur im Wettbewerb im Unternehmen oder zwischen Unternehmen, sondern auch im Krieg auf Hirndoping zu setzen?
Moralisches Hirndoping – eine ernste Realsatire
Ethik hat Konjunktur. Ethik-Kongresse finden statt, Ethik-Institute werden gegründet, Fachzeitschriften und Fachbücher über Ethik füllen die Regale. Der Fortschritt in Wissenschaft und Technik, politische und wirtschaftliche Veränderungen und auch Krisen haben Ethikdiskussionen zur Folge. Diese Diskussionen laufen Entwicklungen oft hinterher. Nachlaufende Diskussionen haben aber meist weniger mit Ethik zu tun als mit Moral. Moral stellt fest, was sein soll (du sollst …) oder nicht sein soll (du darfst nicht …), nachdem Entwicklungen einen Moralstau erzeugt haben, der abgeführt werden will. Ethik hat dagegen etwas mit der Diskussion darüber zu tun, wie sich Moral begründet, was also die Kriterien für gut oder böse und für moralische Werturteile sein sollen. Die Entscheidung, was als Recht und was als Unrecht zu gelten hat, was verboten und was erlaubt ist, ist eine moralische Entscheidung. Die Frage, warum etwas als Recht oder als Unrecht zu gelten hat, warum also etwas erlaubt und etwas anderes verboten ist, ist eine ethische Frage. Die ethische Auseinandersetzung geht also im Idealfall der moralischen Festlegung voraus. Leider gibt es dabei immer wieder Verwechslungen. Moral wird für ethisch gehalten und Ethik für moralisch.
So auch erwartungsgemäß bei Fragen zur Ethik und Moral des Hirndopings. Nachdem die technische Entwicklung und die praktische Anwendung des Hirndopings nicht mehr länger ignoriert werden können, finden entsprechende nachlaufende Diskussionen statt.
So setzt sich in den USA eine Wissenschaftlergruppe [181] dafür ein, dass es verantwortungsvollen und entscheidungsfähigen Erwachsenen erlaubt sein soll, chemische Substanzen und Medikamente zum Hirndoping einzusetzen. Sie ergänzen ihre Pro-Hirndoping-Stellungnahme mit Forderungen nach mehr Forschung, um Kosten-Nutzen-Risiken genauer zu bestimmen, und sprechen sich im Weiteren gegen Hirndoping unter Zwang aus und für fairen und gerechten Zugang zum Hirndoping.
In Deutschland schließt sich eine Gruppe von Philosophen, Juristen und Medizinern [182] im Wesentlichen dem Pro-Hirndoping-Statement ihrer US-amerikanischen Kollegen an. Aus ethischen Gründen soll ein Blick auf diesen moralischen, teilweise absurden, großteils komischen deutschen Beitrag zum Hirndoping geworfen werden.
Gleich zu Beginn wird deutlich, worum es geht: um eine moralische Verteidigung des Hirndopings. Man wehrt sich deshalb entschieden gegen die moralische Vorverurteilung durch den Begriff »Neurodoping« oder »Medikamentenmissbrauch.«
Weiter geht es mit moralischen Werturteilen:
Als moralisch unproblematisch und daher für die Moralkommission des Memorandums auch als unbedenklich wird einmaliges, aktuell nötiges, nicht regelmäßig und nicht zu intensiv betriebenes Hirndoping eingestuft.
Einspruch: Wer entscheidet darüber, was einmalig, aktuell nötig, nicht regelmäßig und ausreichend unintensiv ist?
Als moralisch unbedenklich wird auch das eigenverantwortliche Hirndoping entscheidungsfähiger Personen angesehen, wenn ein Arzt der Dealer ist.
Einspruch: Was unterscheidet ein eigenverantwortliches von einem nicht eigenverantwortlichen Hirndoping, was eine entscheidungsfähige von einer nicht entscheidungsfähigen Person? Wer entscheidet darüber, ob der, der dies zu entscheiden hat,
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