Mieses Karma
leuchteten wie die
eines kleinen Jungen. Ich hätte nie gedacht, dass sein sonst so charmant-abgebrühtes Gesicht so strahlen konnte.
«Wollen Sie es sich mal durchlesen?», fragte er.
«Hab ich eine Wahl?», lächelte ich.
«Natürlich nicht.»
Ich nahm das Konzept und las es. Viele Dinge, die wir uns gestern ausgedacht hatten, standen da drin. Inklusive Atlantis und
Antarktis. Es wäre eine Sendereihe gewesen, die ich auch gerne gemacht hätte: «Das ist klasse!»
«Und viel besser als der Mist, den ich jetzt mache.»
«Allerdings!», grinste ich.
«Und wenn es klappt, werden Sie meine Assistentin.»
Ich lächelte und glaubte ihm natürlich kein Wort.
Daniel überredete mich dazu, mit ihm zum Sender nach Berlin zu fahren. Eine Stunde im Auto, so nah aneinandergequetscht, da
entwickelte ich sexuelle Phantasien. Diese waren allerdings noch arg diffus, wechselten sich doch in ihnen mein Kim-Lange-Körper
und der von Maria ständig ab.
Der sichtlich aufgeregte Daniel bat mich, draußen zu warten, rannte in den Sender und kam nach einer Weile grinsend wieder
heraus.
|224| «Dieses Grinsen sagt mir, dass Sie Erfolg hatten», sagte ich.
«Ich bin die Talkshow los und bekomme meine Reportagereihe.»
«Gratuliere.»
«Und Sie bekommen eine Stelle als meine Assistentin.»
Er meinte es doch ernst.
«Lassen Sie uns auf unsere neuen Jobs anstoßen», schlug er aufgekratzt vor.
Wir brausten zu seiner Villa, gingen nach oben zu seiner Bar (habe ich schon erwähnt, dass die im Schlafzimmer lag?), und
er holte einen Champagner heraus, der älter war als wir beide zusammen.
«Den habe ich mir für einen besonderen Anlass aufgehoben.»
Er öffnete den Champagner und schenkte uns ein. Und ich hoffte, dass Alkohol mit meinen Tabletten kompatibel war.
«Auf Sie», sagte er, aufrichtig dankbar, dass ich ihm einen neuen Lebensweg eröffnet hatte.
«Auf Sie», erwiderte ich.
Wir tranken, und der alte Champagner schmeckte so eklig, dass wir ihn runterwürgen mussten.
Nach einem kurzen Schreck lachten wir beide laut los. Es war der erste Lachanfall, den ich seit Jahren hatte. Und es war herrlich.
Wir gackerten, bis uns die Tränen über die Wangen kullerten.
Es war so heftig, dass ich mich auf seinen Futon setzen musste. Er plumpste neben mich.
Wir blickten uns in die Augen.
Tief.
|225| Er sah meine Seele.
«Ich kenne Sie wirklich irgendwoher», sagte er ebenso verwirrt wie liebevoll.
Ich trällerte: «Fiderelalla.»
Und dann küssten wir uns.
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49. KAPITEL
Innerhalb weniger Sekunden waren wir ausgezogen und fielen übereinander her. Früher hatte ich mich wegen meiner Orangenhaut
immer ein bisschen geschämt, hatte das Gefühl, dass mein Körper nicht perfekt und nicht attraktiv genug war. Jetzt befand
ich mich in einem Körper, den nun wahrlich keine einzige Frauenzeitschrift als perfekt ansehen würde, und es war mir so etwas
von schnurzpiepegal. Nach zwei Jahren in allerlei Tierkörpern freute ich mich einfach, wieder ein Mensch zu sein. Ein Mensch,
der Sex hatte. Mit Daniel Kohn.
Und auch ihm schien es egal zu sein, dass ich übergewichtig war. Er benahm sich beim Sex mit mir nach dem Motto: reinspringen
und wohlfühlen. Zum einen, weil er meine Seele spürte, zum anderen – wie ich später herausfand – merkte er erst mit mir, dass
er Rubensmodelle viel sinnlicher fand als die dünnen Blondchen, mit denen er sonst so geschlafen hatte. («Man tut sich an
deren hervorstehenden Knochen immer so weh!»)
Ja, wenn Frauenzeitschriften jemals herausfinden würden, dass Männer wie Kohn die Knochen von dünnen Frauen unattraktiv finden,
würde sie das in ihren redaktionellen Grundfesten erschüttern.
Jedenfalls war der Sex, wie damals in der Nacht, in der |226| ich zum ersten Mal starb, wunderbar. Und er war phantastisch.
Aber er war nicht ganz supercalifragilistischexpialigetisch!
Das lag nicht etwa daran, dass Daniel sich nicht ins Zeug legte. Um genau zu sein, er war schon fast olympiaverdächtig. Es
lag daran, dass ich dabei noch an Alex dachte. Und an meine Gefühle für ihn.
Ich hatte kein schlechtes Gewissen gegenüber meinem früheren Mann. Der Abend war zu schön für ein schlechtes Gewissen. Und
immerhin hatte Alex deutlich häufiger Sex mit Nina gehabt als ich mit Daniel.
Aber ich dachte ständig an ihn. Schon allein, weil Daniel nicht ganz so gut roch wie Alex. Zuerst schob ich es darauf, dass
ich keine Hundenase mehr hatte und deswegen
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