Mieses Karma
mich nur mit zwei Dingen bekleide und sonst nichts?», fragte sie.
«Was für Dinge?», wollte er wissen.
«Erdbeeren und Sahne.»
Ich hörte förmlich, wie Daniel wankte: Sein Herz wollte mit mir über eine neue, erfülltere Karriere reden. Seine Libido wollte
Erdbeeren mit Sahne.
Und da ich merkte, dass seine Libido kurz davor war zu gewinnen, kam ich hinzu und sagte: «Ich hätte noch ein paar andere
Ideen für Reportagen.»
Die junge Frau, deren üppig gefülltes Top Auffahrunfälle verursachen konnte, war bass erstaunt: «Wegen der willst du mich
nicht sehen?»
«Sie ist keine Konkurrenz für dich», versuchte Daniel sie zu beruhigen. Und mir gefiel diese Antwort ganz und gar nicht.
«Aber du schickst mich wegen ihr weg», motzte sie.
Daniel nickte.
«Ich gehe», sagte sie, «und meine Erdbeeren nehme ich auch mit!»
Daniel blickte ihr kurz nach, dann wandte er sich mir zu und sagte ungerührt: «Und, was haben Sie für Ideen?»
Den ganzen Tag plauderten wir darüber, was für tolle Dinge man machen könnte. In Gedanken drehten wir Reportagen über Fakire
in Indien, die Traumwelten der Aborigines und die Drogenrituale der Amazonasindianer. Wir malten uns |221| aus, wie eine Reise zum versunkenen Kontinent Atlantis aussehen könnte oder wie man Amundsens Expedition durch die Antarktis
nachstellen könnte. Kurzum, Daniel und ich reisten einmal um die ganze Welt und bewegten uns dabei nur einmal von seinem Wohnzimmersofa
weg, um dem Pizzaboten zu öffnen.
Es war ein wunderbarer Tag, an dessen Ende Daniel Kohn mich sogar durch den pladdernden Regen nach Hause fuhr.
In seinem Porsche saßen wir dank meiner Fülle sehr eng aneinandergedrängt, und jedes Mal, wenn er die Gangschaltung benutzte,
berührte er mich zwangsläufig. Das versetzte mir einen wohligen Schauder. Es war das erste Mal, dass ich mich in meinem neuen
Körper als Frau fühlte.
Als wir vor meinem Wohnblock hielten, sagte Daniel: «Das ist hier nicht gerade heimelig.»
«Ach, es gibt Schlimmeres», antwortete ich und dachte dabei an den Ameisenhaufen zurück.
«Sie sehen wohl alles von der sonnigen Seite», grinste Daniel.
Ich war erstaunt: Dass ich die Dinge sonnig sehe, hatte mir noch nie jemand gesagt. Hatte ich mich durch all meine Erlebnisse
tatsächlich verändert? Würde ich etwa ein bisschen so werden wie Maria?
«Ich hab mich seit Jahren nicht mehr so gut mit jemandem unterhalten», sagte Daniel.
«Ich auch nicht», erwiderte ich, schließlich hatte ich mich in den letzten zwei Jahren ausschließlich mit Tieren unterhalten.
Er schaute mich an.
Ich schaute zurück.
Der Augenkontakt, die Enge im Porsche, normalerweise wäre das ein Rezept für einen ersten Kuss gewesen.
|222| Aber natürlich war das absurd: Es würde nie zu einem Kuss zwischen uns kommen.
Doch Daniel schaute weiter in meine Augen.
Das verunsicherte mich.
Und ihn auch.
Und plötzlich war er völlig durcheinander.
«Was ist?», fragte ich.
«Sind wir … sind wir uns schon früher mal irgendwo begegnet?»
Daniel hatte in meinen Augen meine Seele gesehen. Ich wollte ihm so gerne sagen, dass ich Kim Lange war. Ich wusste, dass
Buddha mein Sprachzentrum so manipuliert hatte, dass es niemand erfahren durfte, aber … aber vielleicht klappte es ja doch. Wenn ich mich ganz doll konzentrierte? Genau, das könnte klappen. Ich würde ihm sagen,
dass ich Kim Lange war, die Frau, mit der er am Abend ihres Todes geschlafen hatte. Die Frau, auf deren Grab er eine Rose
gelegt hatte.
Ich öffnete den Mund, konzentrierte mich mit aller Macht und sang voll innigem Gefühl: «Der lange Specht, der lange Specht,
der macht der Braut das Bett zurecht.»
Daniel schaute irritiert: «Ist das was Anzügliches?»
Ich schüttelte den Kopf, verließ hastig den Porsche, rannte in mein Zimmer und beschloss, die nächsten Jahre nicht mehr unter
meiner Decke hervorzukommen.
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48. KAPITEL
Am nächsten Morgen klingelte es an meiner Tür. Ich blieb unter meiner Decke. Es war ein so toller Ort.
«Ich bin’s, Daniel Kohn!»
Ich staunte unter meiner Decke.
|223| «Ich will Ihnen etwas zeigen.»
«Augenblick!», rief ich. Ich zog mich an, warf eine Herztablette ein und fragte mich, was Daniel Kohn mir wohl zeigen wollte.
Ich öffnete die Tür, und er streckte mir ein Papier entgegen.
«Ähem, was ist das?»
«Das ist mein Konzept für die neue Reportagereihe! Ich hab die halbe Nacht daran gearbeitet.» Seine Augen
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