Mieses Karma
Frauen …»
«Dekoschnecken!», motzte ich getroffen. Daniel war ja dafür bekannt, immer die hübschesten Frauen an seiner Seite zu haben.
Wenn jetzt plötzlich Fotos von ihm und mir auftauchten würden, gäbe es sicherlich Schlagzeilen wie: «Hat Daniel Kohn ein Augenleiden?»,
«Ich lieb dick» oder «Warum nicht gleich eine Sumoringerin?» Die positivste Schlagzeile wäre wohl noch: «Toll! Daniel Kohn
ekelt sich wirklich vor gar nichts!» Fotos von ihm und mir würden seinem Ruf schaden, das war ihm in diesem Moment wahrscheinlich
klar geworden. Und das machte mich wütend und traurig zugleich.
«Das hat mit Dekoschnecken nichts zu tun», versuchte Daniel zu beschwichtigen.
«Du würdest also mit mir überall hingehen und mich als deine Freundin präsentieren?», fragte ich spitz.
|230| Daniel zögerte eine Zehntelsekunde. Das hätte er nicht tun sollen. Denn Zögern ist das Geständnis des Mannes.
«Ich bin dir nicht präsentabel genug», stellte ich fest.
«Rede nicht so einen Blödsinn!»
«Dann beweis mir das Gegenteil.»
«Und wie soll ich das machen?», fragte er gereizt.
«Nimm mich mit zur diesjährigen Fernsehpreis-Verleihung. Als deine Freundin. Sichtbar für alle Welt!»
Daniel zögerte jetzt sehr viel länger als eine Zehntelsekunde.
Und je länger er zögerte, desto mehr verschwand meine Wut und wich der Angst, dass er sagen würde: «Nein, ich will wirklich
nicht, dass mich jemand mit dir sieht.»
Was würde ich dann antworten? «Hasta la vista, Baby!» oder «Schon gut, Hauptsache wir bleiben zusammen. Dann ist es auch egal,
ob du zu mir stehst. Meine Würde ist mir egal. Wer braucht auch schon so eine blöde Würde?»
Schließlich rang sich Daniel durch und sagte: «Ich nehm dich mit. Und stell dich auch offiziell als meine Freundin vor.»
Meine Würde und ich freuten uns sehr darüber.
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51. KAPITEL
Anstatt ins Hyatt zu gehen, hatte Daniel uns ein schönes schnuckeliges Hotel am Stadtrand von Köln ausgesucht. Wir räkelten
uns im französischen Bett, bis der Bote mit meinem neuen Versace-Kleid kam. Daniel hatte die Maße durchgegeben und es für
mich anfertigen lassen. Es war natürlich nicht zu vergleichen mit dem, das ich als Kim Lange getragen |231| hatte. Um genau zu sein, es hatte mehr Ähnlichkeit mit einer Verhüllungsaktion von Christo.
Aber den weichen Stoff auf der Haut zu spüren, die Vorfreude auf den Fernsehpreis, das Wissen, dass ich gleich wieder die
ganze Medienmeute sehen würde … das bereitete mir ein enormes Kribbeln im Bauch!
Ein Teil von mir malte sich aus, wie ich gemeinsam mit Daniel aus der Limo steigen und Hunderte Fotografen Tausende Bilder
von dem neuen, wunderbaren Paar schießen würden. Ein anderer Teil malte sich aus, wie ich als zukünftige Braut von Daniel
Kohn prominent genug wurde, um Chancen auf eine eigene Sendung zu haben. Und ein ziemlich kleiner Teil von mir staunte über
den Optimismus der ersten beiden Teile.
Ich wirbelte in all meiner Üppigkeit um die eigene Achse, um Daniel das Kleid zu zeigen: «Na, wie sehe ich aus?»
«Schön», sagte er, etwas abwesend.
«Du sagst das mit dem Enthusiasmus eines Valiumsüchtigen.»
«Nein, es ist wirklich schön.» Er rang sich ein Lächeln ab, das wenig überzeugend wirkte. Irgendetwas ging in ihm vor. Aber
ein Teil von mir sagte: «Ist doch egal.» Ein weiterer Teil von mir hielt sich die Ohren zu und sang: «Lalalala … da ist bestimmt gar nichts mit dem Daniel. Schon gar nicht wegen meiner geringen Vorzeigefrauqualitäten. Wir bleiben zusammen!»
Und der dritte, kleinste Teil von mir war stiller Zeuge dieser Demonstration von Realitätsferne.
Daniel zog sich ins Bad zurück, und ich blieb allein im Hotelzimmer. Ich zappte durch das Fernsehprogramm, landete beim Pay
TV und fragte mich: «Wer zum Teufel gibt zweiundzwanzig Euro aus für einen Pornofilm mit dem Titel «Carmens Traum – Flamenco mit acht Schwänzen»?
|232| Ich machte den Fernseher schnell wieder aus und setzte mich aufs Bett.
Und als ich da so alleine saß, bekam ich ein Déjà-vu dritten Grades: Vor zwei Jahren saß ich ebenfalls vor einer Fernsehpreisverleihung
einsam in einem Hotel mit einem neuen Kleid – und hatte ein schlechtes Gewissen gegenüber Lilly.
Jetzt hatte ich es wieder.
Eigentlich hatte ich es schon die ganze Zeit, aber ich hatte es in Daniels Armen mit aller Macht verdrängt. Auch gegenüber
Alex hatte ich ein schlechtes Gewissen. Und
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