Mieses Karma
fragte Daniel Kohn mich skeptisch, da ich immer noch schnaufte.
Und ich fragte mich das auch: Wollte ich das Schlafzimmer putzen, in dem Daniel Kohn mit irgendwelchen Blondchen in den Spiegel
blickte? Nein!
Aber wollte ich arbeitslos bleiben und obdachlos werden? Nein, nein, nein und nochmals nein!
Und da ein «Nein, nein, nein und nochmals nein!» ein «Nein!» eindeutig schlägt, nahm ich den Job an und wurde Daniel Kohns
Putzhilfe.
21
Aus Casanovas Erinnerungen: Als ich merkte, dass die Hochzeit ohne mich stattgefunden hatte, verfluchte ich Madame Kim aus
vollstem Herzen. Bis ich erfuhr, dass sie verstorben war. Da wurde ich milder und sagte zu mir: «Geschieht ihr recht.»
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47. KAPITEL
Daniel zahlte generös. Ich nahm mir eine kleine Ein-Raum-Wohnung am anderen Ende der Stadt und richtete sie schlicht ein (Bett,
Kommode, nichts von Ikea). Dann fuhr ich jeden Tag zu Daniels Haus, putzte, bügelte seine Wäsche und staunte darüber, wie
viele verschiedene Frauen so bei ihm ein und aus gingen. Und darüber, dass die allesamt das waren, was der gute Kapitän Haddock
einst mit den Worten «geistige Pantoffeltierchen» beschrieb.
Für mich war es eine anstrengende Zeit, körperlich – ich musste weiterhin Marias Herztabletten schlucken –, aber vor allen Dingen seelisch: Ich hatte immer noch nicht die geringste Ahnung, wie ich jemals eine Begegnung mit meiner
kleinen Lilly und Alex herbeiführen sollte. Mit jedem |218| Tag, den ich diese Konfrontation hinausschob, wurde meine Unsicherheit größer. Ja, ich ertappte mich manchmal sogar dabei,
wie ich mich fragte, ob ich nicht besser ins Nirwana hätte gehen sollen.
Diese traurigen Gedanken gingen durch meinen Kopf, als ich an Daniel Kohns Haustür klopfte. Es dauerte eine Weile, bis er
sie aufmachte, und er sah völlig fertig aus. Er stand da im Unterhemd. Unrasiert und offenkundig völlig deprimiert.
Ich starrte ihn an, und er fragte: «Was ist?»
«Nun, Sie sehen aus …»
«… wie schon mal gegessen?»
«Und wieder ausgespuckt», ergänzte ich.
Er lächelte müde und winkte mich herein.
Als wir die Eingangshalle seiner Villa durchquerten, sagte er: «Die Quoten meiner ersten Sendung waren schlecht.»
«Sehr schlecht?», fragte ich.
«Nein. Apokalyptisch schlecht», erwiderte er und ergänzte: «Die Zuschauer vermissen immer noch Kim Lange und nehmen jedem
neuen Moderator übel, dass er nicht sie ist.»
Ich musste grinsen, das schmeichelte mir.
«Was gibt es denn da zu grinsen?», fragte er leicht pikiert.
«Nichts, nichts», antwortete ich. «Kann ich mal die Sendung sehen?»
«Warum?»
«Vielleicht habe ich ja ein paar Tipps für Sie.»
Daniel überlegte, halb war er amüsiert, halb war er neugierig, und als Ganzes ergab das ein «Okay».
Wir schauten uns also gemeinsam seine Talkshow an, die einmal die meine war. Sechs Politiker stritten sich über |219| das Thema «Rente – Fakt oder Fiktion?», und ich war überrascht, dass mir so etwas einmal so wahnsinnig wichtig war: Sechs alberne Menschen
stehlen mit ihren Worthülsen den Fernsehzuschauern wertvolle Lebenszeit.
Nach nur fünf Minuten gähnte ich herzhaft.
«So werden wohl auch die Zuschauer reagiert haben», seufzte Daniel.
«Wenn sie nicht vor lauter Missmut Gegenstände gegen den Fernseher geworfen haben», grinste ich.
«Und, haben Sie nun einen Tipp für mich?», wollte Daniel wissen.
«Ja, hab ich. Machen Sie was anderes.»
«Was anderes?»
«Sie haben ein größeres Talent. Machen Sie etwas anderes als diesen Mist. Etwas, wo Sie zeigen können, was in Ihnen steckt.»
«Würde ich gerne …»
«Aber?»
«Ich habe keine Idee, was das sein könnte.»
«Wie wäre es mit Reisereportagen?», schlug ich vor – schließlich war ich bei meinem Reinkarnationstrip einmal um die halbe
Welt gereist.
Schlagartig war die Müdigkeit aus Daniels Augen verschwunden. Die Idee begeisterte ihn. Ich hatte einen Nerv getroffen.
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür.
Daniel ging aus dem Wohnzimmer, um die Tür aufzumachen.
«Daniii», hörte ich eine schrille Stimme. Es war eine seiner blonden Freundinnen.
«Du, ich kann gerade nicht», hörte ich Daniel sagen.
«Was?», kiekste die Frau.
|220| «Ich … ich habe wichtigen Besuch», flunkerte er. Ich konnte es kaum glauben: Daniel Kohn schickte ein Blondchen weg, um mit mir
weiterzureden?
«Aber Dani …»
«Ich kann nicht.»
«Auch nicht, wenn ich
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