Mika, Bascha
wachsen
Mädchen und junge Frauen dann auf:
Einerseits
werden sie mit dem weiblichen Muster gelockt —
andererseits
futtert man sie mit Bekenntnissen zur Gleichheit der Geschlechter.
Einerseits
werden sie mit weiblichen Klischees vollgestopft -
andererseits
wird ihnen eingeimpft, Rollenzwänge seien von gestern.
Einerseits
werden sie auf Anpassung geeicht — andererseits werden sie beharrlich
narzisstisch bestätigt.
Das kann
nur zu Verwirrung führen. Und die ist bei Mädchen und jungen Frauen zur Genüge
zu beobachten. Sie haben so viel im Kopf wie nie zuvor und sind gleichzeitig
sehr auf den Körper fixiert. Sie sind noch nie so locker mit Sex umgegangen
und sind gleichzeitig wild aufs Heiraten. Sie haben realistische Lebensziele
und lassen sich gleichzeitig blenden vom Modelzirkus.
Da passt
etwas ganz und gar nicht zusammen. Wie bei einer schlecht geschweißten
Verbindungsnaht sind hier die Risse und Fissuren bereits sichtbar, die im
späteren Leben aufbrechen können und anfällig machen für die Verheißungen
traditioneller Rollen.
Frieda
Sie
stritten sich. Wie schon seit Jahren. Doch diesmal war es anders, härter. »Hast
du gehört, Frieda, deine Mutter hat einen anderen«, brachte mein Vater
schließlich hervor. Das saß. Damit war es entschieden.
Ich heiße
Frieda und bin neunzehn Jahre alt.
Als meine
Eltern mir ihre Trennung verkündeten, war ich gerade mal acht. Ich weinte die
ganze Nacht, hasste meine Mutter dafür, dass sie meinen kleinen Garten Eden mit
einem Mal zerstört hatte, bedauerte meinen Vater. Der Gedanke, dass diese
Flucht meiner Mutter vor dem tristen Eheleben in einem Provinzdorf mir das Leben
gerettet hat, war weit weg. Erst später habe ich verstanden, wie wichtig es
ist, sich nicht einsperren zu lassen von dicken Mauern aus gesellschaftlichen
Werten und den damit verbundenen eigenen Ängsten. Und wie falsch es ist, einem
Mann zwar aus Liebe, aber gegen den eigenen Willen zu folgen.
Meine
Mutter war Ärztin, sie liebte ihren Beruf und sicherte unser finanzielles
Auskommen. Sie spielte nie die Hausfrau, das war irgendwie nicht ihre Rolle, es
langweilte sie, aus Unterhosen und Bettlaken die Falten rauszubügeln und uns
beim Spielen zuzusehen. Aber sie bemühte sich, trotz ihrer vollen Stelle für
mich und meinen kleinen, häufig kranken Bruder da zu sein. An den Wochenenden
hatte sie ohnehin keine Wahl. Dann fuhr mein Vater als Skitrainer zu
Wettkämpfen und ließ meine Mutter, die sich fremd fühlte in dem Dorf, allein
mit uns. Doch auch mein Vater hat sich sehr gekümmert: Als mein Bruder klein
war, nahm er Elternzeit und führte den Haushalt. Später behauptete er oft, dass
es dieser Rollentausch gewesen sei, der die Trennung beförderte. »Ich habe ja
alles für deine Mutter getan, deshalb tanzt sie mir jetzt auf der Nase herum«,
klagte Papa, manchmal unter Tränen. Ich selbst aber merkte nichts davon, dass
er mich hätte in ein Rollenmuster zwingen wollen. Ihm war nicht wichtig, ob
ich nun ein Junge oder ein Mädchen war. Viel wichtiger war ihm Leistung.
Leistung in der Schule, Leistung im Wintersport, überall die Beste sein...
Seit der
Trennung und dem Befreiungsschlag meiner Mutter, der Flucht vom Dorf in die Stadt,
kamen mein Vater und ich uns nie wieder richtig nahe. Verstärkt wurde das durch
die erwachte Eigenständigkeit meiner Mutter, die sich selbst und dadurch auch
mir zeigte, dass eine alleinerziehende Frau fast alles schaffen kann. Für mich
waren es nicht nur unbeschwerte Jahre. Ich musste immer wieder die Erwachsene
spielen, ich war es nun, die kochte, wenn meine Mutter spät und erschöpft von
der Arbeit kam, die sich um den kleinen Bruder kümmerte. Schulsachen, Sport und
Musikunterricht erledigte ich nebenbei.
Nicht dass
meine Mutter mich zur Hausfrau erziehen wollte. Aber ich war die Ältere, und
ich musste hart darum kämpfen, dass mein Bruder, der wohl immer der Kleine
bleiben wird, sich irgendwann mit mir die Küchenarbeit teilte. Und dennoch gab
es einen Unterschied in unserer Erziehung. »Jungs sind eben anders«, sagte
meine Mutter manchmal. Mein Bruder durfte übersehen, dass Butter und Milch
fehlten, ihm wurde schneller verziehen, wenn er Fernsehen guckte, statt sich um
die Küche zu kümmern. Ich fand das ungerecht, hatte das Gefühl, mit mir sei
man viel strenger umgegangen, ich als Mädchen hätte nicht mit dem Kopf in den
Wolken schweben können wie er. Ich wollte das nicht schweigend dulden, habe
mich gewehrt und meiner
Weitere Kostenlose Bücher