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Mika, Bascha

Mika, Bascha

Titel: Mika, Bascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Feigheit der Frauen
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Mutter ihre eigenen Ideale im Kampf um Gleichheit
vorgeworfen - mit Erfolg.
     
    Was
Liebesbeziehungen betrifft, höre ich meine Mutter immer sagen: Richte deine
Zukunft nicht nach einem Mann aus. Warte nicht auf den Liebsten. Verzichte
nicht darauf, deinen eigenen Weg zu gehen, das könntest du am Ende bereuen.
Statt mich ängstlich anzusehen, als ich für ein Jahr nach Westafrika gehen
wollte, sprach sie mir Mut zu - während der Rest meiner Familie abriet. Ich tat
es trotzdem, und es war richtig. Auch als Vorbereitung für mein Studium, ich werde
bald mit Volkswirtschaft anfangen. Manchmal habe ich Angst davor, später auch
in starre Rollen zu verfallen oder an Stärke zu verlieren und durch blinde
Verliebtheit für einen Mann zu verzichten. Nur noch Mutter zu sein, meine Kinder
vielleicht unbewusst als typische Jungs oder Mädchen zu erziehen und im Haus
zu viel Verantwortung zu übernehmen. Durch diese Angst weiß ich aber auch, dass
ich genau aufpassen werde, damit mir das nicht passiert. Und meinen Töchtern
werde ich erzählen: »Gebt etwas nur auf, wenn auch euer Liebster für euch verzichten
kann. Das hat sogar schon eure Oma gewusst...«
     
    Das Kümmersyndrom
    Sie heißt
Julia. Julia will Physiotherapeutin werden und macht eine dreijährige
Ausbildung in Rostock. An ihrer Berufsfachschule hat sie Timo und Alina
kennengelernt und ist mit ihnen in eine Wohngemeinschaft gezogen. Alle drei haben
einen vollgepackten Stundenplan, der zwischen theoretischen und praktischen
Ausbildungsphasen wechselt.
    Eigentlich
fühlen sie sich wohl in ihrer WG und verstehen sich gut. Nur an einem Punkt
läuft es gar nicht — was die Frauen so richtig ankotzt. Timo putzt nicht, kocht
nicht, räumt nicht auf, wäscht keine Wäsche. Aber wenn es etwas zu essen gibt,
setzt er sich gern an den Tisch und bedankt sich charmant bei der Köchin. Alina
versucht alles Mögliche: schlägt Krach, kocht für ihn nicht mit, macht einen
rigiden Putzplan. Doch jedes Mal, wenn Timo dran ist, desertiert er. Sein Dreck
- aber nicht sein Job.
    Irgendwann
hat Julia es satt und löst das Problem so, wie sie es von daheim kennt. Ihre
Mutter arbeitet halbtags, trotzdem tut ihr Vater im Haushalt nichts. Schon als
kleines Mädchen hat Julia ihrer Mutter geholfen, das war so selbstverständlich,
wie es die Regel war, dass sich ihre Brüder drückten.
    Fortan
springt also Julia ein, wenn Timo auf dem Putzplan steht. Sie wartet schon gar
nicht mehr, ob er selbst einen Handschlag tut, sondern übernimmt freiwillig
seinen Dienst.
    Dabei ist
noch nicht einmal Liebe im Spiel, die beiden sind kein Paar, Julia steht auf
Frauen.
    Jedes Mal,
wenn Julia für Timo schrubbt, guckt Alina fassungslos zu. Sie selbst lässt die
schmutzigen Töpfe stehen, bis sie vor sich hin schimmeln, und hofft, dass Timo
es endlich mal schnallt. Doch Julia resigniert: »Ich hab einfach keinen Bock
auf irgendwelche Auseinandersetzungen. Timo putzt nicht, also mach ich es. Das
spart Stress und Nerven.« Ende der Diskussion. Doch Alina weiß, dass Julia
sich wahnsinnig ärgert — auch über sich selbst.
    Irgendwann
schleppt Timo dann eine Freundin an. Sie hat einen Job mit einer
Vierzig-Stunden-Woche. Doch wenn sie ihn abends besuchen kommt, sammelt sie
zuerst seine Wäsche ein, füllt die Maschine und macht Ordnung in seinem Zimmer.
Seitdem hat Julia etwas weniger zu tun, und Alina ärgert sich seltener. Und
allen drei Frauen schenkt Timo ab und an eine Rose und seinen berühmten
Dackelblick.
     
    Die Dumme
    Ist es
Wehrlosigkeit oder Selbstverteidigung? Masochismus oder Sich-Fügen ins
Unabänderliche? Oder vielleicht sogar Bewunderung für diese unverhohlene
Dreistigkeit? Julia kapituliert auf ganzer Linie vor Timos stinkender
Faulheit.
    Was in
ihrer WG läuft, ist ein Machtspiel, wie es bereits Kinder kennen: Wer kann
länger? Kann länger schreien. Länger die Luft anhalten. Den anderen länger
niederstarren. Verloren hat, wer aufgibt, nach Luft schnappt oder die Augen
niederschlägt. Timo ist ein Meister in diesem Spiel. Er hält Dreck und Druck
einfach länger aus als seine Mitbewohnerinnen. Das weiß er, nutzt es aus und
gibt den jungenhaften Tunichtgut: Hier-stehe-ich-und-kann-nicht-anders. Und
immer findet sich eine Dumme, die nachgibt.
    Doch Timos
Machtposition ist ambivalent. Denn Julia macht zwar einerseits freiwillig, was
er heimlich erwartet. Andererseits bindet sie ihn, weil er in ihrer Schuld
steht, sie macht ihn von sich abhängig, indem sie ihm alles abnimmt.

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