Mika, Bascha
anderes. Denn kurze Zeit später sitzen diese gebildeten
Mädchen als Studentinnen im Seminar, sind weit in der Überzahl, wie es bei
manchen Studienfachern so üblich ist, und wer redet? Die zwei, drei männlichen
Studenten, die anwesend sind. Genau diejenigen, die noch bis vor kurzem als
Schüler zu faul waren, den Mund aufzumachen.
Doch viele
Mädchen und junge Frauen, vor allem die gut gebildeten, glauben selbst, dass
ihre Generation bereits immun ist gegen typisches Rollenverhalten. Schaut man
sich an, welche Wünsche und Erwartungen sie haben, scheinen rosa Prinzessinnen,
Bambis und Models völlig vergessen zu sein. Alles klingt super. »Frauen auf dem
Sprung«, heißt eine große Untersuchung, die das Wissenschaftszentrum Berlin
2009 vorgestellt hat. 36 Dessen Präsidentin, die Bildungssoziologin
Jutta Allmendinger, hat dazu zwanzig- bis dreißigjährige Frauen mit einem
mittleren oder hohen Schulabschluss befragt.
Ergebnis:
Die Befragten haben große Pläne. Sie wollen Beruf und Familie unbedingt
vereinbaren. Liebe, Kinder und Karriere sind ihnen gleich wichtig. Eine feste
Beziehung steht zwar mit siebenundsiebzig Prozent an erster Stelle, doch dicht
gefolgt vom eigenen Job mit vierundsiebzig Prozent und von Kindern mit achtundsechzig
Prozent. »Keine Spur von >null Bock<. Im Gegenteil: Die jungen Frauen
wollen alles«, freut sich Jutta Allmendinger zu Recht. Diese Generation, so das
Fazit der Studie, wird einen erfolgreichen, selbstbestimmten Weg gehen und
unsere Gesellschaft nachhaltig verändern. Die Verantwortlichen in Politik und
Wirtschaft sollten diesen Frauen gut zuhören, heißt es, denn sie würden das
gesellschaftliche Modell der Zukunft bestimmen.
So
interessant diese Studie ist und so schön es wäre, wenn die Erwartungen
einträten, gibt es doch auch Anlass zu zweifeln. In der Untersuchung geht es
hauptsächlich um das, was Frauen wollen — nicht um
das, was sie dann tun. Zudem geben
Befragte in solchen Situationen auch gerne Einstellungen wieder, von denen sie
glauben, sie seien gesellschaftlich erwünscht.
Denn
Frauen sollen ja alles wollen, das gehört zum erklärten Ziel in modernen
westlichen Gesellschaften. Die Superfrau, die alles erreichen kann, entspricht
dem weiblichen Glücksbefehl. Sei erfolgreich! Sei sexy! Such dir einen tollen
Mann! Habe Kinder! Sei eine gute Mutter! Sei einfach perfekt! Es sind
Starfiguren wie Angelina Jolie und Madonna, die diese Rolle - medial
manipuliert und bis ins Kleinste kontrolliert - hervorragend beherrschen oder
vielmehr zu beherrschen scheinen. 37
In der
gelebten Alltagswelt wird eine ganze Nummer kleiner gebacken. Die wird nicht
von politisch-gesellschaftlichen Wunschvorstellungen dominiert, sondern von der
Anziehungs- und Beharrungskraft traditioneller Bilder. So sehr zu hoffen ist,
dass Frauen in den kommenden Jahren tatsächlich mehr von ihrem Wollen in die
Tat umsetzen — eine Gegenfrage muss erlaubt sein: Schon vor zehn Jahren gab es
sehr viele gut ausgebildete Frauen, die selbstbestimmt ihre beruflichen und
privaten Ambitionen im Blick hatten. Auch sie wollten »alles«. Und was haben
diese heute Dreißig- bis Vierzigjährigen erreicht?
Sind sie
nicht bereits scharenweise aus ihren Berufen geflüchtet, haben ihre Kinder zum
Lebensziel erklärt, lassen sich von ihren Männern versorgen und richten sich
darauf ein, für den Rest ihres Leben weitgehend abhängig zu bleiben? Weil sie
dem Traditionsdruck erlegen sind, dem Bequemlichkeitssog, der Mutlosigkeit.
Wenn die
nachwachsenden Frauen ähnlich umstandslos in die Rollenfallen stolpern, wird es
wohl auch ihnen kaum anders gehen. Diese Gefahr hat auch der Soziologe Klaus
Hurrelmann vor Augen. Er sieht einerseits, wie ambitioniert junge Frauen an ihr
Leben herangehen: »Die junge Generation von Frauen hat ein sehr reichhaltiges,
lebendiges Bild von der eigenen Geschlechtsrolle und will raus aus den
traditionellen weiblichen Mustern. Das ist erklärte Absicht. Und die jungen
Frauen sind eindeutig offener, moderner als die jungen Männer.«
Andererseits
hat Klaus Hurrelmann immer wieder festgestellt, wie schnell es dann anders
kommen kann. »Leider kann man erkennen, dass dies nicht alles
weitertransportiert wird. Wahrscheinlich liegt es an zu wenig
Durchsetzungsvermögen, zu wenig Risikomut. Da ziehen sich dann viele Frauen,
obwohl sie eigentlich schon sehr weit sind, doch zurück auf traditionelle
Rollen. Das ist schon ein bemerkenswertes Phänomen.« 38
Die Verwirrung
So
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