Mika, Bascha
antun? Zu viel Anstrengung stört die
Work-Life-Balance.
Vielleicht
sollten wir aus diesem Begriff mal die Luft rauslassen. Work-Life-Balance ist
ein Kunstprodukt, das von Frauenzeitschriften im Ratgeberjargon erfolgreich
propagiert wird. Aus dem Marketingsprech hat es sich in unser Alltagsverständnis
hineingestohlen. Und schlussendlich lernen wir dann, dass man Schnittlauch
nicht wie üblich mit dem Messer, sondern auch mal mit der Schere schneiden
kann.
Selbst das
Bundesfamilienministerium meint, dass da irgendetwas nicht stimmt mit der
weiblichen Work-Life-Balance. Im 7. Familienbericht kritisierte das
Ministerium, dass deutsche Mütter im Vergleich zu ihren europäischen
Kolleginnen weniger Zeit im Job verbringen, aber die so gewonnenen Stunden
nicht in ihre Kinder investieren, sondern in Freizeit. Beispielsweise hätten
finnische Mütter jeden Tag eine Stunde weniger frei als deutsche. 25
Selbstverständlich
ist es angenehm, wenn unsere Tage nicht nur aus Arbeit bestehen, sondern wir
auch Zeit für andere Interessen haben. Weder müssen wir alle zu Workaholics mutieren,
noch ist es erstrebenswert, sich zwischen Anforderungen aufzureiben. Aber wo
steht, dass nur ein bequemes Leben lohnt, eines, in dem wir möglichst wenig
gefordert werden?
Work-Life-Balance,
dieses Pseudo-Geheimnis eines Lebens im Lot, ist ein abgrundtiefer Schwachsinn.
Eine klebrige Wohlfühllotion. Behauptet wird ja: Einerseits gibt es Arbeit,
andererseits Leben, und zwischen beidem muss ein Ausgleich geschaffen werden,
damit wir glücklich sind. Arbeit ist also kein Leben, sondern irgendetwas
jenseits davon? Das kann doch nicht stimmen. Sicher ist Arbeit ein anderes
Leben als Freizeit, aber doch wohl auch Leben — und oft ein sehr intensives.
Das
Bedürfnis nach möglichst wenig Anforderung kann zu skurrilen Vorstellungen
führen, wie Frauke Narjes an ihrem Hamburger Career Center festgestellt hat.
»Da sitzen manchmal Studentinnen vor mir, die allen Ernstes glauben, sie könnten
später mal eine Halbtagsstelle machen und damit nicht nur sich, sondern auch
noch ein Kind ernähren«, sagt sie kopfschüttelnd. »Das heißt aber im Klartext,
dass sie dann doch auf den Ernährer hoffen - denn mit dieser Haltung sind sie
ja auf einen angewiesen.« 26
Das Unbehagen
Nehmen wir
Sandra. Sandra lebt in einer kleinen Stadt in Süddeutschland. Sie hat Abitur
gemacht und wollte Maskenbildnerin werden. Dazu musste sie eine Ausbildung als
Friseurin vorweisen. Sie suchte sich eine Lehrstelle, war kurze Zeit später
verliebt und wartete auch nicht lange mit der Heirat. Ihren Freundinnen
erzählte Sandra: »Jetzt hab ich den Mann fürs Lebens gefunden und kann es
lassen mit der Maskenbildnerei. Bald brauch ich nicht mehr zu arbeiten.«
Nach ihrem
Abschluss jobbte sie als Friseurin auf einer halben Stelle und bemühte sich,
schwanger zu werden. Als das klappte, gab sie den Beruf auf. Ihre Tochter war
erst drei, als die Ehe zu Bruch ging. Sandra ist sechsundzwanzig, wird in ihrem
Beruf hundsmiserabel bezahlt und hat kaum eine Chance, sich weiter zu
qualifizieren, solange ihr Kind klein ist. Dazu fehlt ihr die Zeit, die Kraft
und das Geld. Ihr Traum von der Maskenbildnerei rückt in immer fernere Zukunft.
Um überhaupt über die Runden zu kommen, lässt sie sich finanziell von ihren
Eltern unterstützen. Das Leben, das sie sich einst wünschte, sah anders aus.
Für Männer
kommt es häufig als Zumutung daher, wenn sie sich um Haus und Kinder kümmern
sollen; für diese Zugabe erwarten sie ein Extralob. Umgekehrt scheint für
einige Frauen die Erwerbstätigkeit ein Zugeständnis zu sein. Als hätte der
Beruf für sie eine Art Hobby-Charakter, denken sie den Versorger gleich mit und
betrachten ihr Leben davor nur als Übergangsphase. Lore Maria Peschel-Gutzeit
kennt diese Fälle aus ihrer juristischen Praxis. Meist tritt die Anwältin auf
den Plan, wenn ein solches Lebensmodell gescheitert ist. »Diese Frauen denken:
Ich mache eine Ausbildung, dann bin ich ein paar Jahre im Beruf, dann heirate ich
und krieg Kinder. Punkt. Diese Frauen planen nicht, die verlassen sich auf den
Mann und denken nur bis zum Kind.« 27
Das ist
der eine Grund für die weibliche Fluchtbewegung in die Komfortzone. Der andere
ist das Unbehagen an der Arbeitswelt. Seit vielen Jahren wird die Frage, warum
Frauen karrieremäßig kein Bein auf den Boden bekommen, öffentlich rauf und
runter diskutiert. Kaum etwas, das dazu nicht bereits gesagt und geschrieben
wurde.
Weitere Kostenlose Bücher