Mika, Bascha
herum. Die fragen ständig: Möchtest du nicht wieder
einen Mann? Ist es nicht blöd, so alleine? Als Frau ohne festen Partner darf
man offenbar nicht glücklich sein. Aber im Moment will ich keine neue Beziehung.
Ich brauche noch eine Erholungspause. Beim ersten Konfliktgespräch mit einem
neuen Freund würde ich sofort anfangen zu würgen. Man muss schließlich auch
allein leben können und herausfinden, dass das geht. Es ist eine absolute
Beruhigung, zu merken, dass man dadurch nicht stirbt.
Einige
meiner Freundinnen, die sich jetzt scheiden lassen, haben mich gefragt: Geht
das denn ohne Mann? Und ich sage ihnen immer: Ohne Beziehung ist es genauso
schön wie mit - es ist nur anders. Was nicht heißt, dass ich auf Dauer allein
bleiben will. Ich bin überzeugt, dass ich wieder jemanden kennenlernen werde.
Aber alles hat seine Zeit.
Das Kribbeln - zum Schluss
Liebessehnsucht, Liebesrausch,
Liebesangst. Was mit der Liebessehnsucht beginnt und sich im Liebesrausch
fortsetzt, wird durch die Liebesangst besiegelt — die alte Geschlechterordnung.
Unsere freiwillige Unterwerfung.
Da wollen
wir aufgeklärte Zeitgenossinnen sein, frei und gleich, und doch schaffen wir
es, diesen Anspruch mit unserem Verhalten ständig zu konterkarieren. Gerade in
unserem privaten Bereich, mit unserem individuellen Verhalten reißen wir die
Kluft auf zwischen unserem modernen Selbstverständnis und unserem gelebten
Leben. Dort, wo wir die größte Freiheit haben, uns zu entwerfen, gerade dort
beugen wir uns den Vorgaben uralter Muster. Gerade dort bauen wir eine Zwangskulisse
auf, die uns angeblich alle Wahlmöglichkeiten nimmt.
Wir wollen
unabhängig sein und doch wieder nicht. Unabhängigkeit macht Angst, weil sie
allzu oft den Phantomschmerz von Einsamkeit und Verlust wachruft. Die
Tiefenpsychologie hat versucht, die biographischen Erfahrungen aufzuspüren, die
mit diesen Ängsten verknüpft sind. So beschreibt die New Yorker
Psychoanalytikerin Jessica Benjamin, was passieren kann, wenn ein Kind um seine
Unabhängigkeit gegenüber den Eltern kämpft.
»Eltern, die den
Unabhängigkeitswillen ihres Kindes nicht ertragen können, werden dem Kind das
Gefühl geben, dass Einsamkeit nun einmal der Preis der Freiheit sei. Oder gar,
dass Freiheit überhaupt nicht möglich sei. Wenn das Kind nicht auf den Beifall
der Eltern verzichten kann, muss es eben seinen Willen aufgeben. Es
>entscheidet< sich, lieber brav und folgsam zu sein.« 1
Wir sind
brav und folgsam, weil wir den Preis der Freiheit nicht zahlen wollen. Weil wir
glauben, nicht auf den Beifall verzichten zu können — von unserem Partner,
unserer Familie, unserem Freundeskreis, dem gesellschaftlichen Umfeld. Weil wir
die Angst nicht aushalten, dass wir dann vielleicht nicht mehr geliebt und
geschätzt werden.
Die Angst
vor Verlust bildet unsere Geiselmentalität in der Beziehung heraus. Sie
flüstert uns ein, mit dem Geiselnehmer zu kooperieren und uns als dessen
Komplizin zur Verfügung zu stellen. So werden wir zu Stellvertreterinnen einer
Ordnung, die uns abwertet. Die Tradition ist unsere Zuflucht.
Aber es
gibt ein Gegenprogramm. Die Möglichkeit. Die Lust an Neuem. Die Veränderung.
Wenn wir einmal die Erfahrung gemacht haben, dass wir auch etwas bekommen, wenn
wir unsere Angst besiegen, ist schon viel gewonnen. Wenn die Gewissheit, dass
wir die Angst überleben, vom Kopf ins Herz und in den Bauch wandert, wächst
auch der Mut. Wenn wir die Mauer wegsprengen, wartet dahinter nicht einfach
Leere auf uns, sondern etwas Neues.
Schon
lange wissen wir, dass das Private politisch ist. Aber das Politische ist eben
auch privat. In unseren individuellen Entscheidungen spiegelt sich die Struktur
einer männlich dominierten Gesellschaft — die alte Frage von Dominanz und
Unterwerfung. Und dann zeigt sich, dass unsere angeblich persönlichen
Entscheidungen durch überindividuelle Muster geprägt sind, mit denen wir die
alten Spielregeln von Über- und Unterordnung befolgen. Rollenmuster, die sich
uns eingeschliffen haben und uns deshalb trügerisch anheimelnd erscheinen.
Muster, die das alte System aufrechterhalten und stabilisieren.
Wie sollen
sich da die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern? Wenn wir erkennen, dass
das Politische privat ist, wird das Private auch wiederum politisch. Wenn wir
dort Macht ausüben, wo wir sie haben, werden unsere persönlichen Entscheidungen
gesellschaftlich relevant. Wenn Frauen sich deutlich anders verhalten, wird
das
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