Milchbart (German Edition)
möglich Einblick zu gewinnen, will ich Ihnen Informationen, über die ich bedenkenlos verfügen darf, nicht vorenthalten.«
Ein Schwätzchen über Frau Bogners Familienverhältnisse wird unsere Miss Marple natürlich ruck, zuck auf die richtige Spur bringen.
»Sie ist – war – seit etlichen Jahren mit Herrn Seibold aus der Buchhaltung verheiratet, und sie hat einen Sohn aus erster Ehe.«
»Frau Bogner war ja nicht die einzige Therapeutin in der Parkklinik«, beeilte sich Fanni zu sagen, kaum dass Hornschuh den Satz beendet hatte, denn sie wollte ihm keine Chance lassen, sich durch einen hastigen Rückzug ihrem Verhör zu entziehen. »Wie kam sie denn mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus?«
Hornschuh lächelte nachsichtig. »Gut, sehr gut. Es konnte zwischen ihnen ja kaum Reibungsflächen geben, weil sie sich höchst selten über den Weg liefen.«
»Richtig«, sagte Fanni halb zu sich selbst, »Frau Bogner hat ja nicht nur in der Parkklinik Therapiesitzungen abgehalten.«
»Sie war eine gefragte Therapeutin«, bestätigte Hornschuh, »und wurde häufig vom Bezirksklinikum Mainkhofen angefordert. Ihre Vormittagsstunden waren jedoch generell für die Parkklinik reserviert.« Weil Fanni ihre nächste Frage nicht schnell genug parat hatte, entstand eine kurze Pause, während der Hornschuh offenbar ein wichtiger Gedanke kam. Er fasste sich an die Stirn. »Ich habe zwei ihrer Kolleginnen, Frau Becker und Frau Aicha, bereits kontaktiert, und sie haben mir beide versprochen, so gut es geht einzuspringen. Noch heute Abend werden wir einen Behandlungsplan ausarbeiten, der morgen früh an der Informationstafel im Foyer angeschlagen sein wird. Sie können ihm Ihre neuen Termine entnehmen.«
Er machte Anstalten, aufzustehen, doch Fanni hinderte ihn daran.
»Und wie ist Frau Bogner mit dem übrigen Klinikpersonal zurechtgekommen?«, fragte sie schnell und versuchte, den Klinikchef mit einem gebieterischen Blick an seinen Platz zu bannen.
Auf Hornschuhs hoher Stirn erschien eine steile Falte, die fraglos Unmut signalisierte. Fanni rechnete mit einer geharnischten Abfuhr. Doch plötzlich verschwand die Falte, und um die vollen Lippen des Professors zeigte sich wieder das nachsichtige Lächeln. Erneut lehnte er sich zurück.
Wenn seine Nase nicht so etwas Schnabelartiges hätte, wäre Hornschuh ein richtig gut aussehender Mann!
Fanni zog die Mundwinkel despektierlich nach unten. Für meinen Geschmack, dachte sie, liegen seine Augen zu tief in den Höhlen, sein Kinn wirkt zu herrisch, sein Hals ist zu kurz, seine Haare …
Fanni! Es reicht!
Er scheint allerdings kein schlechter Psychologe zu sein, verfolgte Fanni den Gedankengang weiter. So wie er seine Emotionen im Zaum hält und auf Fragen eingeht, vermittelt er einem das Gefühl, durchaus ernst genommen zu werden.
Obwohl er dich mit Sicherheit für töricht und nervtötend hält und dir insgeheim vorwirft, rücksichtslos seine kostbare Zeit zu stehlen.
»Frau Bogner hatte mit unserem Personal nicht viel Kontakt«, sagte Professor Hornschuh. »Sie passierte den Pförtner mit einem lakonischen ›Guten Morgen‹ oder einem knappen ›Wiederschaun‹, den Hausmeister sprach sie nur in Ausnahmefällen an, und auch mit den Schwestern pflegte sie meines Wissens so gut wie keinen privaten Umgang. Was die Putz- und Servierhilfen angeht, möchte ich bezweifeln, dass Frau Bogner sie überhaupt registriert hat. Sie verhielt sich immer ungemein distanziert. Aber gerade das machte sie zu einer Kollegin, die grundsätzlich mit allen auskam.«
Hornschuh lächelte geradezu gütig, als er hinzufügte: »All das, liebe Frau Rot, wissen die Kriminalbeamten bereits, und sie werden Frau Bogners Umfeld noch viel genauer unter die Lupe nehmen, darauf können Sie sich verlassen. Die Ermittler werden alles aufspüren, was es aufzuspüren gibt.« Bereits während er den letzten Satz sagte, hatte er die Hände auf die Tischplatte gestützt, um sich hochzustemmen.
Fanni fiel auf, dass seine Fingerkuppen weiß und blutleer wirkten.
Er hat die Nase voll von dir, will endlich hier wegkommen!
Ja, dachte Fanni, auch Psychologen haben eine Körpersprache.
Bevor Hornschuh Zeit fand, sich zu erheben, sagte Alexander: »Ich persönlich hatte den Eindruck, dass sich Schwester Rosa und Frau Bogner spinnefeind waren. Einmal bin ich zufällig in der Nähe gewesen, als sie sich auf dem Flur begegnet sind. Die beiden haben sich weder gegrüßt noch sonst wie aufeinander reagiert. Jede hat so
Weitere Kostenlose Bücher