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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Draht, der am Schraubenmännchen fehlt, nicht die Tatwaffe ist.«
    Fannis Augen wurden groß. »Aber die Polizei sucht doch …« Alexanders spöttische Miene ließ sie verstummen.
    »Die Polizei«, erklärte er, »sucht nach einer ausgewachsenen Drahtschlinge, mit der Frau Bogner erwürgt worden sein könnte, nicht nach einem Zierdrähtchen.«
    »Aber dein sogenanntes Zierdrähtchen ist …«, begann Fanni, aber Alexander unterbrach sie erneut.
    »Ist schon vorgestern abgerissen. Ich war dabei.«
    Fanni brauchte eine Zeit lang, um sich darauf einzustellen.
    Wo ist denn das Problem? Drahtschlinge bleibt Drahtschlinge. Egal, wo der Täter sie herhatte.
    Eben nicht, dachte Fanni. Weil er sie mitgebracht haben muss, wenn er sie nicht von der Figur abgerissen hat.
    »Na schön«, sagte sie laut, »der Täter hat also sein Werkzeug dabeigehabt. Aber überlegen Sie doch mal, was für ein großes Risiko er eingegangen wäre, wenn er nach dem Ende Ihrer Stunde sein Versteck verlassen hätte, um die Tat auszuführen. Er konnte sich doch denken, dass der nächste Patient schon im Anmarsch war, und musste davon ausgehen, überrascht zu werden.«
    »Dieses Risiko hat er halt auf sich genommen«, erwiderte Alexander. »Das musste er ja, falls er nicht den halben Tag im Schrank ausharren wollte. Und er hatte ja Glück. Ihr langes Zögern hat ihm genügend Zeit …« Alexander verstummte plötzlich und sah Fanni verblüfft an. »Sie standen die ganze Zeit vor der Tür! Frau Rot, als der Mord verübt wurde, standen Sie vor der Tür des Behandlungszimmers. Sie müssen doch etwas gehört haben.«
    »Nämlich?«, fragte Fanni.
    Alexander warf ihr einen scharfen Blick zu. »Lärm, Scharren, Rascheln, Stimmen, einen Schrei, irgendwas in der Art.«
    Fanni schüttelte den Kopf. »Ich war in Gedanken versunken. Wissen Sie, was das Gehirn mit gewohnten Geräuschen macht, wenn es anderweitig beschäftigt ist? Es blockt sie ab, registriert sie nicht. Scharren und Rascheln hätte ich schlicht und einfach nicht wahrgenommen; nicht einmal Frau Bogners Stimme, denn irgendein Schaltkreis in meinen Hirn wäre wohl zu der Feststellung gelangt, dass Frau Bogner gerade telefoniert, und hätte die Information ad acta gelegt.«
    Schau an, schau an, wie gut Fanni Rot neuerdings über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns Bescheid weiß! Da hat sie dem Dr. Wein aber ganz genau zugehört!
    Falls Alexander irgendetwas darauf antworten wollte, erhielt er keine Gelegenheit dazu.
    Fanni stemmte beide Hände auf die Tischplatte und beugte sich ein wenig nach vorne, um sich Alexanders voller Aufmerksamkeit zu versichern. »Diese Verstecktheorie ist Unsinn, Alexander. Frau Bogner hätte ihren potenziellen Mörder bereits wenige Minuten nach dem Betreten ihres Zimmers entdeckt, nämlich dann, als sie ihren Mantel in den Schrank gehängt hat.«
    Alexander legte verzagt die Stirn in seine aufgestützte Hand.
    Fanni schaute sich um, weil der Geräuschpegel im Speisesaal plötzlich verändert wirkte. Mittlerweile waren viele Tische besetzt, viel mehr als sonst, was bedeutete, dass sich etliche Gäste eingefunden hatten.
    Kein Wunder, nach so einem Nachrichtenknüller! »Mord in der Parkklinik«, wenn das kein Aufsehen erregt! Die Journaille wird sich eingeschlichen haben, und vermutlich sitzen auch ein paar Sensationslustige hier herum, die nichts Besseres zu tun haben, als jeder Unglücksmeldung nachzujagen!
    Fannis Blick blieb an Professor Hornschuh hängen, der an einem mit vier Personen besetzten Tisch stand und offenbar jede Menge Fragen zu beantworten hatte.
    »Heute muss er sich mehr Zeit nehmen als sonst«, sagte Alexander, der ebenfalls auf den Professor aufmerksam geworden war.
    Der Chef der Parkklinik bot abends im Speisesaal keinen ungewöhnlichen Anblick. Er pflegte aufzutauchen, nachdem das Dessert serviert war, um nickend, lächelnd und gute Laune verbreitend von Tisch zu Tisch zu gehen. Bisher hatte Fanni allerdings noch nicht erlebt, dass er irgendwo stehen geblieben war und sich auf ein Gespräch eingelassen hatte.
    Nun aber befand er sich schon eine ganze Weile am Tisch jener vier Patienten, die dort zusammensaßen.
    Er wird seine Schäfchen beruhigen, ihnen jedoch gleichzeitig auf den Zahn fühlen wollen. Muss er nicht zu ergründen versuchen, wie sie die Ereignisse des Tages verkraftet haben?
    Fanni schreckte auf, als sie Alexander aufzählen hörte: »Irma Braun, fünfundzwanzig Jahre alt, Waschzwang. Hedwig Sauer, neunundvierzig, hört

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