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Milchblume

Milchblume

Titel: Milchblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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stehlen«, stichelte der Seifritz-Bauer, ohne weiter auf Jakob zu achten. »Woher sollen sie sonst so viel Essen hernehmen, dass sie uns alle einladen können?«
    »Ich glaub«, reagierte der Huber-Bauer und sah im Davongehen weiter zu Boden, »sie haben eh nur mich und meine Frau eingeladen.«
    Am Abend hockte Fabios Sippe gemeinsam mit den Huber-Bauern, der vollzähligen Familie des Seifritz-Bauern, den Lagler-Buben Kurt und Franz, dem Bürgermeister sowie dem Pfarrer auf Strohballen gedrängt rund um das kleine Feuer, das Fabio in einem Erdloch angefacht hatte. Über den Flammen hing, mit einer Kette an einem Dreibein befestigt, ein schwerer Kessel mit Fasan-Erdäpfel-Gulasch. Dem Seifritz-Bauern schmeckte es besonders gut. Er hatte sich eigens die Nachmittagsjause gespart, um nun ordentlich zuschlagen zu können.
    Außer den züngelnden Flammen des Lagerfeuers erhellten nur zwei in die Auslassungen der Steinmauer gestellte Ölfunzeln den gut sieben Meter hohen Stadel. Und so bemerkte im Halbdunkel niemand, dass Fabios Frau auch das fette und nahrhafte Fleisch von zwei Igeln in den Kessel geschnitten hatte. Es war ihr angesichts der zahlreich gewordenen Gäste notwendig erschienen.
    Als sich Bauersleute und Fahrende, erwärmt von Rotwein und Gulasch, schmatzend und mit der Zunge schnalzend die letzten Speisereste aus den Zähnen saugten, erkundigte sich das Oberhaupt der Fahrenden, ob seine Mutter nun die Karten befragen solle. Der Huber-Bauer sah zu seiner Frau. Und nickte.
    Fabios Mutter Mara war eine stämmige, kleine Frau. Von der ganzen Sippe schien sie am besten genährt. Ihre runden Wangen glänzten im Schein des Feuers, und wären nicht ihre langen, schlohweißen Haare gewesen, man hätte glauben mögen, sie sei nicht viel älter als ihr Sohn.
    Mara wartete, bis alle Blicke auf sie gerichtet waren. Und dann wartete sie noch ein bisschen länger. Dabei blickte sie bedeutungsvoll ins Feuer. Die Bauersleute begannen auf den Strohballen herumzuwetzen, atmeten betont schwer und räusperten sich mehrere Male, da hob die Alte wortlos die linke Hand aus ihrem Schoß, streckte sie mit einem Ruck empor und ließ sie so für einen Moment im Stadel schweben. Alle Augenpaare waren auf sie gerichtet. Langsam, sehr langsam, senkte sich ihre Hand und ihre fleischigen Finger glitten entlang ihres üppigen Busens unter ihren schweren, schwarzen Wollumhang. Als ihre Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie einen beinahe kreisrunden Fächer Spielkarten zwischen den Fingern. Für die Zuseher musste es scheinen, als trüge sie die Karten stets in dieser aufgefächerten Form unter ihrem Gewand. Überraschend geschickt ließ sie die Karten zwischen ihren dicken Fingern zu einem Paket zusammengleiten, um sie gleich darauf, wie von selbst, wieder fächerförmig auseinander laufen zu lassen. Hin und her. Vor und zurück. Hin und her. Bevor das langweilig werden konnte, schrie sie laut auf. »Souu!« Die Bauersleute, die jungen nicht minder als die alten, zuckten erschrocken zurück. »Nun sag mir«, sprach Mara mit kehliger Stimme und fixierte den Huber-Bauern mit stechendem Blick, »sag mir, wie die Kuh hieß, die gestern Nacht getötet wurde.«
    »Liesl«, sagte der Huber-Bauer, wobei ihm beinahe die Stimme versagte.
    »Liesl«, wiederholte er, weil er fürchtete, nicht verstanden worden zu sein.
    Mara schloss die Augen. Dann ließ sie sich von ihrem Strohballen nach vor auf die Knie fallen und senkte den Kopf zur Brust. Kein Laut war jetzt im Stadel zu hören. Jakob glaubte, die Stille als ein Knacken in seinem Hinterkopf spüren zu können. Niemand wagte es, auch nur laut auszuatmen, alle saßen regungslos auf ihren Plätzen. Fabios Mutter bewegte sich nicht. Ihr weißes Haar schimmerte im Schein des Feuers.
    »Liiihhhhhhhhhsl«, stöhnte da die Alte und ließ ihre raue Stimme vibrieren. Sie setzte den Stapel Karten mit den Symbolen nach unten auf den staubigen Boden. »Liiihhhhhhhhhsl«, beschwor sie erneut den Geist des Tieres. Den anderen stieg Gänsehaut über Arme, Schultern, Nacken. Mit flacher Hand drückte Mara auf den Kartenstapel und begann, ihn auf dem Boden zu verteilen. Als ob sie in einem Kessel rührte, formte ihr Arm immer größere kreisende Bewegungen. Weiter und weiter.
    »Liiiiisl!«, schrie sie plötzlich gellend auf. Wieder zuckten die Menschen rund um sie zurück. Da griff Mara nach einer Karte, hob sie nahe an ihr Gesicht, schlug die Augen zufrieden nieder und legte sie vor sich auf den Boden. Im Schein

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