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Milchblume

Milchblume

Titel: Milchblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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und ließ seinen Flug mit ein paar ulkigen Schritten ausklingen. Schritte, wie die eines schrulligen alten Herrn im Frack. Schließlich schien der Vogel sein Gleichgewicht gefunden zu haben, schüttelte resolut den Flugwind aus seinem Gefieder und verharrte schließlich dicht vor dem Burschen, keine Armlänge entfernt.
    Eine Weile verging, und den Gendarmen schien, als würden sich die beiden unterhalten, was freilich absurd war und lächerlich, und deshalb lachten sie über die Vorstellung. Es dauerte nicht lange, und der Rabe machte kehrt, ging ein paar Schritte, formte einen kauzigen Altmännerbuckel, klappte die Flügel auf und stieß sich ab. Jakob stand auf, befühlte seinen in der Wiese feucht gewordenen Hosenboden und ging den Gendarmen entgegen.
    »Na, Jakob?«, fragte der kleinere der Gendarmen freundlich und auch ein bisschen mitleidig, »Möchtest du jetzt ein Geständnis ablegen?«
    Jakob blickte den beiden fröhlich in ihre Gesichter. »Nein«, sagte er. »Ich war es nicht.«
    Die beiden sahen einander an, und dann sagte der Kleinere, nun nicht mehr so freundlich: »Und das hast du uns nicht gleich sagen können?«
    »Ich wollte nur sichergehen«, antwortete Jakob höflich. »Man weiß ja nie.« Wieder befühlte er seinen nassen Hintern. Und weil er merkte, dass die Gendarmen nicht wussten, wovon er sprach, sagte er: »Geht es Ihnen nicht auch so, dass Sie sich manchmal wundern über das, was Sie tun oder denken? Da können schon Sachen passieren, an die man sich später nicht mehr erinnern will, und deshalb vergisst man sie.«
    Da die beiden nichts entgegneten, sondern einander bloß pferdegesichtig ansahen, was sie für Jakob sympathisch machte, sprach er weiter: »Also mir geht es jedenfalls so. Oft glaube ich, dass ich nicht aus einem Stück bin, sondern aus einem wilden Sturm durcheinanderwirbelnder Teilchen, die mich immer wieder neu zusammenwürfeln. Geht es Ihnen nicht so?« Er fragte es mit ehrlicher Neugier und in der Hoffnung auf eine sachliche Antwort.
    »Ich weiß nicht, ob du uns zum Narren halten willst, Jakob«, reagierte der kleinere Gendarm und probierte einen strengen Ton. »Aber wenn du dich selbst schon nicht kennst, wir kennen dich. Und wir wissen, dass du es warst, weil nämlich deine Weste am Tatort gefunden worden ist.«
    »Entschuldigung«, sagte Jakob, und da weiteten sich die Pupillen der Gendarmen, weil sie sich nun doch vor einem Geständnis glaubten. »Entschuldigen Sie«, wiederholte er, »aber wie können Sie mich kennen? Ich glaube«, er hielt inne, weil er nach Worten für den neuen Gedanken suchte, der ihm gerade gekommen war, »ich glaube, es ist schon ein großes Glück, wenn das, was wir von anderen Menschen halten, nur ein bisschen falsch ist.«
    Die Gendarmen atmeten durch.
    Es entstand eine Pause, und der Größere sagte schließlich, um das Gespräch wieder unter Kontrolle zu bringen: »Gut. Du behauptest also, dass du mit dem Feuer am Lagler-Hof nichts zu tun hast.«
    »Genau«, sagte Jakob, und nickte.
    »Hat dir das der Rabe erzählt?«, fragte der Größere spöttelnd, aber doch mit Neugier.
    »Ich habe es mir vorher schon gedacht«, war die Antwort. »Aber der Rabe hat es mir bestätigt.«
    Die Menschen in Legg gingen recht unterschiedlich mit Jakob und dem Feuer am Lagler-Hof um:
    Die Gendarmen sagten: »Es ist besser, wenn du deine Schuld zugibst, Jakob. Wir kommen morgen wieder.«
    Der Lagler Kurt gab zu Protokoll, dass er nicht nur Jakobs Weste gefunden, sondern ihn auch dabei beobachtet habe, wie er eine ihrer Kühe geschändet hätte. Jakob sei durch und durch »ein gemeiner Krimineller«, der besser hinter Gitter gehöre.
    Der Huber-Bauer dachte: Merkwürdig, ich habe geglaubt, dass Jakob die ganze Zeit vor der Feuersbrunst bei uns war, und jetzt heißt es trotzdem, er ist der Brandstifter. Ich warte lieber ab, wie sich die Sache entwickelt, bevor ich was sag und mir den Mund verbrenn.
    Die Lagler-Bäuerin schaute traurig, als ihr Jakob versicherte, nichts mit dem Feuer auf ihrem Hof zu tun zu haben. Dann nickte sie und sagte: »Ist schon gut, Jakob. Du bist ein braver Bursch. Geh wieder heim.«
    Silvia fragte Jakob, ob er es gewesen sei, und noch in der Sekunde, in der er das Wörtchen »nein« aussprach, seufzte sie »gut«, strich ihm kurz übers Haar und lief mit hochrotem Kopf und springenden Zöpfen davon.
    Der Seifritz-Bauer holte, einer alten Gewohnheit folgend, aus, und drohte Jakob damit, ihm das Kreuz abzuhauen, sollte er seinen Namen in

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